Der Alpha-Mann als gescheiterter Mann – Entwicklungsdynamiken männlicher Identität im Zeichen des bedrohten Phallus

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„Was Männer begehren, macht sie verletzlich; was sie verletzlich macht, wird gehasst.“

Diese prägnante These, die in den Arbeiten von Pohl (2004) zur Entwicklung männlichen Identität eine zentrale Rolle spielt, bietet eine psychodynamische Linse, durch die sich die allgegenwärtigen Phänomene männlicher Identitätskonstruktion im digitalen Zeitalter betrachten lassen. Denn kaum ein Wisch über den Smartphone-Bildschirm oder ein Blick in die Medienlandschaft, und schon präsentieren sich jungen Männern hunderttausendfach bebilderte Rezepte dafür, was ‚echte‘ Männlichkeit angeblich ausmacht: Muskeln, Macht, Geld – und die bedingungslose Verfügbarkeit weiblicher Körper. Influencer und Online-Gurus versprechen den Weg zurück zu einer vermeintlich natürlichen männlichen Vorherrschaft und verbreiten dabei einen aggressiven Antifeminismus, der längst gesellschaftliche Spuren hinterlässt (Hark & Villa, 2015). Im Internet propagieren Gruppen wie selbsternannte „Alpha Males“, Incels (Involuntary Celibates) und Pick-Up-Artists (PUAs) ein primitives, hegemonial gefärbtes Männlichkeitsbild, gekennzeichnet durch extreme Frauenfeindlichkeit, postulierte männliche Überlegenheit und die Abwertung von Empathie als ‚weiblich‘ (Kracher, 2021). Die im Eingangszitat angedeutete Abwehrdynamik scheint hier in voller Blüte zu stehen: Frauen und Feminismus werden pauschal für persönliche und gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht, eine Rhetorik vom „Krieg der Geschlechter“ rechtfertigt teils offen Gewalt. Dass dieses Gedankengut nicht folgenlos bleibt, belegen extremistische Gewalttaten weltweit, motiviert durch Incel-Ideologien und verwandten maskulinistischen Extremismus (Kimmel, 2013; Speit, 2020)

Diese Entwicklungen fordern eine kritische Re-Evaluation des Konzepts „Männlichkeit“ und seiner psychischen wie soziokulturellen Entwicklungsbedingungen. Parallel zu diesen radikalisierten Maskulinismen vollzieht sich in westlichen Gesellschaften ein gradueller, aber signifikanter Wandel hin zu pluralisierten Männlichkeitsentwürfen. Väter nehmen Elternzeit, Männer engagieren sich vermehrt in Sorgeberufen, und in Popkultur wie Politik treten öffentlichkeitswirksam Vertreter einer „Caring Masculinity“ (Elliott, 2016) in Erscheinung. Das Spannungsverhältnis zwischen diesen konträren Tendenzen bildet den Schauplatz der gegenwärtigen „Krise der Männlichkeit“ (Kimmel, 2013). Die Frage nach dem Verständnis und der sozialen Vermittlung von Männlichkeit ist somit von hoher politischer und wissenschaftlicher Relevanz.

Im vorliegenden Essay unternehmen wir deshalb eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung der Entwicklung von Männlichkeit. Ausgangspunkt (Kapitel I) ist eine empirische und diskursanalytische Bestandsaufnahme jener modernen misogynen Männerbünde im digitalen Raum. Darauf aufbauend wendet sich die Analyse den psychoanalytischen Theorien der Geschlechtsidentität zu (Kapitel II und III). Von Sigmund Freuds Klassiker der Ödipus-Theorie und der phallischen Phase, über Melanie Klein und Jacques Lacan, bis hin zu feministischen Weiterentwicklungen durch Nancy Chodorow und Jessica Benjamin sowie aktuellen Konzepten wie dem bi-genderalen Selbst bei Michael J. Diamond werden die psychoanalytischen Dynamiken der männlichen Identitätsbildung herausgearbeitet. In Kapitel IV folgt der soziologisch-geschlechtertheoretische Schwenk: Es werden das Konzept der hegemonialen Männlichkeit (Raewyn Connell) und alternative Vorstellungen pluraler Männlichkeiten (u. a. Michael Kimmel) gegenübergestellt – also die Frage, ob und wie es vielfältige Weisen gibt, „Mann zu sein“, jenseits des dominanten Ideals. Kapitel V beleuchtet, wie die zuvor analysierten Männlichkeitsbilder in der digitalen Kultur reproduziert und radikalisiert werden. Untersucht werden die Rolle von Online-Radikalisierung, Memetik („Meme-Ökonomie“) und rechtsextremen Narrativen – mit besonderem Augenmerk auf den deutschsprachigen Raum. Anschließend widmet sich Kapitel VI der aktuellen Herausforderung, trans- und nicht-binäre Perspektiven in die psychoanalytische Theorie zu integrieren. Die traditionelle binäre Auffassung von Geschlecht gerät durch reale Lebensentwürfe und Identitäten jenseits der Zweigeschlechtlichkeit ins Wanken – wie reagieren psychoanalytische Ansätze darauf? Den Abschluss (Kapitel VII) bildet eine Synthese der gewonnenen Erkenntnisse und ein Ausblick auf ein neues Verständnis von Männlichkeit. Skizziert wird eine reife, affektive und fürsorgeorientierte Männlichkeit, die Gewalt und Dominanz überwindet und stattdessen auf Empathie, Gleichberechtigung und persönlicher Reife basiert. Bevor wir dahin kommen, aber zuerst in das Rabbit Hole.

Digitale Subkulturen und die Inszenierung primitiver Männlichkeit

Die digitale Medienlandschaft des 21. Jahrhunderts hat sich als fruchtbarer Nährboden für die Entstehung und rasante Verbreitung neuartiger, männerzentrierter Subkulturen erwiesen. In diesen Online-Räumen artikuliert sich häufig ein besonders aggressives und frauenfeindliches Verständnis von Männlichkeit, das patriarchale und sexistische Narrative nicht nur reproduziert, sondern bisweilen ins Extrem übersteigert (Kracher, 2021). Obwohl jede dieser Gruppierungen – von selbsternannten „Alpha Males“ über „Incels“ bis hin zu „Pick-Up-Artists“ (PUAs) – im Detail ein eigenes Selbstverständnis pflegt, eint sie ein regressives, hegemoniales Männlichkeitsideal. Dieses Ideal gründet auf der Fantasie männlicher Dominanz und weiblicher Unterwerfung und propagiert eine Welt, in der Frauen primär als Objekte männlicher Bedürfnisbefriedigung oder als Sündenböcke für männliche Frustrationen fungieren (Banet-Weiser & Bratich, 2019). Im Kern dieser Ideologien steht die Vorstellung einer vermeintlichen „Krise der Männlichkeit“, die nur durch eine Rückkehr zu extremen Formen von Überlegenheit, Härte und körperlicher Potenz zu bewältigen sei (Kimmel, 2013).

Alpha-Male-Gurus: Die Wiederbelebung der „natürlichen Vorherrschaft“

Eine besonders sichtbare und einflussreiche Strömung bilden die sogenannten „Alpha Male“-Gurus, die über Plattformen wie YouTube, TikTok oder Streaming-Podcasts Ratschläge zur Selbstoptimierung verbreiten. Diese Influencer postulieren, die moderne Gesellschaft habe Männer ihrer „natürlichen Vorherrschaft“ beraubt und propagieren die Wiederentdeckung einer „echten“ Männlichkeit als Weg zu Erfolg, sexueller Verfügbarkeit von Frauen und allgemeiner sozialer Dominanz (Hark & Villa, 2015). Im Gewand motivierender Coaches für Fitness, Unternehmertum oder Lifestyle verschmelzen ihre Inhalte rasch mit biologistischen Erklärungen, die sich auf vermeintliche evolutionäre Gesetzmäßigkeiten berufen – von der Metapher des „Alpha-Wolfs“ bis hin zu angeblich naturgegebenen Geschlechterhierarchien und männlicher Aggression (Anderson, 2010). So erlangte beispielsweise Andrew Tate, ein ehemaliger Kickboxer, globale Bekanntheit durch polarisierende TikTok-Clips, in denen er behauptet, Frauen seien „nicht loyal“ und hätten weniger Wert als leistungsstarke Männer; eine seiner Kernaussagen lautet: „Women are property and men are the protectors of that property“ (zitiert in BBC News, 2022). Ähnlich agiert der Podcast Fresh & Fit (Myron Gaines und Walter Weekes), der dafür bekannt ist, Frauen vor laufender Kamera verbal herabzusetzen, wobei Gaines (2023) in seinem Buch Why Women Deserve Less Männer dazu auffordert, Frauen nicht mehr zu „hofieren“. Auch im deutschsprachigen Raum bietet der Rapper Kollegah ein „Alpha Mentoring“-Programm an, das eine „männliche Transformation“ verspricht, dabei jedoch Frauen pauschal abwertet und patriarchale Rollenbilder reproduziert, wie seine Aussage „Was haben die [Frauen] zu bieten, wenn nicht ihr Körper? Wir sind die, die ackern“ (Spiegel Online, 2019; vgl. Kollegah, 2020) illustriert.

Hinter der glänzenden Fassade des Personal-Brandings dieser Akteure verbirgt sich häufig ein rigides Frauenbild: Frauen erscheinen als Trophäen oder Statusobjekte, schlimmstenfalls als störende Konkurrenz, die es zu entwerten und zu kontrollieren gilt (Pohl, 2004). Weiblichkeit wird als Gefahr konstruiert – assoziiert mit emotionaler Abhängigkeit und ressourcenzehrendem Verhalten (Banet-Weiser & Bratich, 2019). Solche reduktiven Narrative befeuern die Vorstellung, ein Mann müsse sich durch unnachgiebige Härte und permanentes Konkurrenzdenken beweisen, während Werte wie Gleichberechtigung oder Empathie als Zeichen von Schwäche („Beta“ oder „Weichling“) diskreditiert werden. Zentral ist dabei der Rückgriff auf biologistische Argumente („männliche Urtendenzen“, „Testosteron“), die sexistische Machtausübung naturalisieren und als unveränderlich darstellen sollen (Hark & Villa, 2015). Für junge Männer, die sich unsicher oder orientierungslos fühlen, mag diese Rhetorik der Stärke verlockend erscheinen. Aus psychoanalytischer Sicht lässt sich diese „Alpha-Härte“ jedoch als Abwehrhaltung gegen unbewusst als bedrohlich erlebte weibliche Anteile und als Kompensation tiefer Ängste vor Abhängigkeit und Vulnerabilität interpretieren (Pohl, 2004). Die pauschale Herabwürdigung von Frauen dient hier der Abspaltung eigener Abhängigkeitsgefühle.

Von internalisiertem Selbsthass zu externalisierter Misogynie

Ebenso deutlich tritt die Frauenfeindlichkeit in der Subkultur der Incels (Involuntary Celibates) zutage – Männer, die unfreiwillig sexuell enthaltsam leben. Ihr Weltbild gründet auf einer drastischen Dichotomisierung zwischen sogenannten „Chads“ (attraktive, sexuell erfolgreiche Männer) und den Incels, die sich als Opfer einer von Frauen gesteuerten, oberflächlichen „Sexualökonomie“ betrachten (Kracher, 2021). In den entsprechenden Online-Foren, Kanälen und Discord-Servern dominieren Misstrauen, Hass und Verbitterung; Frauen werden als hypergam, hinterhältig und gewissenlos dargestellt. Dieser internalisierte Selbsthass schlägt häufig in offenen Frauenhass und Gewaltfantasien um. Die reale Gefahr dieser Ideologie illustrieren extremistische Gewalttaten: Der Amokläufer Elliot Rodger, der 2014 in Isla Vista sechs Menschen ermordete, hinterließ ein Manifest voller Frauenhass und Rachefantasien, weil ihm die erhoffte „Liebe“ durch „heiße Blondinen“ verwehrt geblieben sei, und wurde später in Incel-Foren zur Kultfigur stilisiert (Kimmel, 2013). Ebenso proklamierte Alek Minassian vor seiner Amokfahrt 2018 in Toronto, bei der zehn Menschen, primär Frauen, starben: „The incel rebellion has already begun! We will overthrow all the Chads and Stacys!“ (Kracher, 2021, S. 132) – „Stacys“ als Chiffre für begehrenswerte Frauen, die Incels angeblich ausgrenzen.

Neben solchen Tätern existieren charismatische Incel-Influencer und Forenbetreiber, die Thesen verbreiten wie: „Frauen sind biologisch nur auf 10% der Männer scharf. Der Rest von uns ist abgeschrieben“ (z. B. im Forum „incels.co“). Diese Behauptungen werden mit pseudowissenschaftlichen Grafiken (z. B. die „80-20 Rule“) oder verzerrten Evolutionsmodellen untermauert. Ein anonymer Poster namens „SergeantIncel“ brachte die Logik auf den Punkt: „Die Hypergamie der Frau tötet uns. Wir sind wertlos. Ihr Körper gehört uns, aber sie verweigern es“ (zitiert in Kracher, 2021, S. 87). Eine solche Denkweise, die von Selbsthass in offene Gewalt- oder Vergewaltigungsfantasien kippt, hat dazu geführt, dass die Incel-Ideologie mittlerweile als extremistische Bedrohung im Bereich des „Male Supremacist Extremism“ eingestuft wird (Speit, 2020). Psychodynamisch lässt sich der Incel-Hass als Umkehrung eigener Minderwertigkeits- und Ohnmachtsgefühle interpretieren (Pohl, 2004). Der Neid auf die „Chads“ und die Projektion von Scham und Wut auf Frauen als vermeintliche Verursacherinnen der eigenen Ausgrenzung dominieren. In Freud’schen Begriffen könnte der verwehrte Zugang zur Frau Kastrationsängste und narzisstische Kränkungen reaktivieren, die in eine paranoide Weltsicht und die Imagination einer „großen Verschwörung der Frauen“ münden.

Pick-Up-Artists: Verführung als manipulative Machtdemonstration

Eine dritte Strömung, die seit den 2000er-Jahren durch Bestseller wie The Game (Strauss, 2005) an Popularität gewann, ist die globale Szene der Pick-Up-Artists (PUAs). Ihr Kernversprechen lautet, Männer könnten durch spezifische Gesprächs- und Manipulationstechniken ihren sexuellen Erfolg bei Frauen quasi beliebig steigern (Lewandowski, 2020). Die PUA-Kultur vermischt Selbsthilfe-Rhetorik mit pseudowissenschaftlichen Ansätzen, etwa aus dem Neurolinguistischen Programmieren. Was oberflächlich als überzogenes „Flirt-Coaching“ erscheinen mag, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als zutiefst frauenfeindlich: Frauen werden nicht als Subjekte mit eigenen Bedürfnissen, sondern als „Targets“ konzipiert, deren Widerstände es strategisch zu überwinden gilt (Banet-Weiser & Bratich, 2019). So empfiehlt Rollo Tomassi, Autor von The Rational Male, in Kombination von Red-Pill-Denken und PUA-Techniken, Frauen mittels Begriffen wie „Female Imperative“ oder „Hypergamie“ als manipulativ und rein statusorientiert darzustellen und gibt Ratschläge zur „Kontrolle“ dieses vermeintlichen weiblichen Mangels an echter Liebe (Tomassi, 2017). Der PUA-Guru Erik von Markovik, bekannt als „Mystery“, lehrt Methoden wie das „Negging“ – gezielte kleine Beleidigungen („Deine Haare sehen interessant aus, ist das heute Absicht oder Zufall?“), um das Selbstwertgefühl einer Frau zu untergraben und ihre Aufmerksamkeit zu erzwingen (Banet-Weiser & Bratich, 2019). Im deutschsprachigen Raum demonstrieren Coaches wie DonJon oder Estefano d’Elano in Seminaren und Videos physische Taktiken, um Frauen zu „stoppen“ und zu Gesprächen zu zwingen; DonJon (2021) zeigt beispielsweise, wie er einer Frau den Weg versperrt und ihre Hand festhält, um die „Situation zu eskalieren“.

Viele PUA-Ratgeber propagieren, die sogenannte „Last-Minute-Resistance“ der Frau – ein Zögern vor dem Geschlechtsverkehr – durch aggressives oder emotional manipulatives Verhalten zu durchbrechen, oft untermauert mit biologistischen Erklärungen, Frauen seien „unterbewusst“ auf dominante Männer programmiert. Seminare bekannter PUAs beinhalten teils Ratschläge zu körperlichen Grenzverletzungen, euphemistisch als „kühne Körpersprache“ oder „Führungskompetenz“ deklariert. Obwohl PUA-Kanäle oft als harmlose Dating-Coach-Angebote daherkommen, entmenschlichen sie Frauen zu Objekten gamifizierter Anmachversuche und perpetuieren die Vorstellung, dominantes männliches Verhalten sei der Universalschlüssel zu sexuellem Erfolg, während Empathie als hinderlich gilt. Die Logik, dass männliche Sexualbedürfnisse Vorrang haben und weibliches Einverständnis als zu überwindendes Hindernis inszeniert wird, ist hierbei tief verankert (Banet-Weiser & Bratich, 2019).

Echokammern des Hasses: Digitale Dynamiken und psychische Abwehr

Obwohl sich Incels mit ihrem Außenseiterstatus vom vermeintlich erfolgreichen PUA-Typus abzugrenzen scheinen, teilen beide Szenen das Narrativ einer entweder berechnenden (Hypergamie-Vorwurf) oder passiv manipulierbaren (PUA-Logik) Frau. Forschende beobachten dabei fließende Übergänge: Männer, die mit PUA-Techniken scheitern, können in den Incel-Diskurs abgleiten, während manche Incels von den Erfolgsversprechen der PUAs angezogen werden (Kracher, 2021). Der gemeinsame Nenner bleibt ein feindseliges bis verächtliches Frauenbild, das die Frau zur Ressource oder zum Feindobjekt degradiert (Pohl, 2004).

Alle genannten Subkulturen entfalten ihre größte Dynamik innerhalb digitaler Echokammern. Foren und algorithmisch gesteuerte Plattformen (YouTube, Reddit, TikTok, Discord) begünstigen ein gegenseitiges Aufschaukeln extremistischer Positionen (Papadamou et al., 2021). Polarisierende Inhalte generieren hohe Klickzahlen und belohnen somit immer radikalere Beiträge. Diese Entwicklung manifestiert sich oft in einer Meme-Kultur, in der die Diffamierung von Frauen oder Andersdenkenden als „Spaß“ getarnt wird (Banet-Weiser & Bratich, 2019). Begriffe wie „Virgin vs. Chad“, „Red Pill“, „High-Value Man“ oder „femoid“ zirkulieren breit und werden so verharmlost, dass junge User sie oft unreflektiert übernehmen. Die Ironie dient dabei als Schutzschild: Kritik wird mit dem Verweis auf mangelndes Humorverständnis abgewehrt, während frauenfeindliche Narrative subtil normalisiert werden. Es entsteht eine Internetskultur, in der Hass parodistisch inszeniert und dennoch als legitime Haltung akzeptiert wird. Psychoanalytisch betrachtet verweist dieses virtuose Spiel mit Sarkasmus und „Edgelord“-Humor auf das Bestreben, eigene ambivalente Haltungen (Neugier, Sehnsucht, aber auch Angst und Ohnmacht) hinter einer Zynismusmaske zu verbergen. Der Hassausdruck wirkt entlastend, stiftet Gemeinschaft und externalisiert innere Unsicherheiten (vgl. Pohl, 2004).

Hinter der zur Schau gestellten Härte und den aggressiven Ausfällen dieser Gruppen verbirgt sich, so Pohl (2004), häufig eine tiefe Unsicherheit. Männer, geprägt von sexueller Zurückweisung oder sozialer Kränkung, kompensieren ihr verletztes Selbstwertgefühl durch kollektive Schuldzuschreibung an Frauen. Die Stilisierung zum biologisch überlegenen „Leitwolf“ dient der Abwehr von Abhängigkeits- und Vulnerabilitätsängsten. Hier manifestiert sich auch das von Freud (1905/1991) beschriebene Phänomen der Kastrationsangst: Die Vorstellung, durch weibliche Sexualität oder Wahlfreiheit „entmännlicht“ zu werden, provoziert phantasmatische Gegenattacken in Form von Verachtung, Dominanzgebaren oder Gewaltwünschen. Im Kollektiv dieser Subkulturen wird diese Dynamik potenziert; das Gemeinschaftsgefühl („Wir Männer gegen die feminisierte Gesellschaft“) stärkt und entlastet den Einzelnen von seinen Selbstzweifeln. Online verschmelzen diese Kränkungen zu einer Projektionsgemeinschaft, die der Frau alles Bedrohliche zuschreibt: unberechenbare Sexualmacht, emotionale Überlegenheit, ausnutzende Hypergamie. Die resultierende Wut fungiert als Abgrenzungs- und Abwehrmechanismus und kann, insbesondere bei Incels, aber auch in Teilen der PUA- und Alpha-Male-Szene, zur Rationalisierung oder Rechtfertigung von Gewaltfantasien gegenüber Frauen führen.

Die analysierten Online-Subkulturen stellen sich also als eine reaktionäre Gegenbewegung zur gesellschaftlichen Gleichstellung dar. Sie propagieren ein hegemoniales Männlichkeitsideal extremer Ausprägung, das durch Überlegenheit, Härte, sexuelle Kontrolle über Frauen und die Abwertung alles Weiblichen gekennzeichnet ist. Frauen werden zu unterwerfenden Objekten oder Sündenböcken degradiert, niemals aber als gleichberechtigte Subjekte anerkannt. Interessanterweise offenbart sich hinter der aggressiven Fassade eine tiefe Verletzlichkeit: Die Wut dieser Männer entspringt häufig dem Gefühl des Wertverlusts angesichts nicht länger untergeordneter Frauen. Pohl (2004) diagnostiziert hier eine fundamentale Dynamik: „Weiblichkeit wird von Männern unbewusst als Bedrohung erlebt und deshalb abgewehrt.“ Viele Männer fürchten insgeheim die Macht, die Frauen über sie haben – sei es durch sexuelle Attraktivität, emotionale Abhängigkeit oder die Möglichkeit der Zurückweisung. Die verzerrten Frauenbilder der Incel- und PUA-Foren können als extreme Abwehrreaktion auf diese unbewusste Angst verstanden werden. Hass und Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen resultieren – so Pohls (2004) Kernthese – „aus der Verleugnung und Abwehr der männlichen, auf den weiblichen Körper gerichteten Begierde.“ Was Männer begehren, macht sie verletzlich; was sie verletzlich macht, wird gehasst.

Diese psychoanalytische Lesart eröffnet den Übergang zur tiefergehenden Frage, wie sich männliche Geschlechtsidentität in Kindheit und Jugend formiert und welche unbewussten Konflikte dabei eine Rolle spielen. Angesichts der globalen Reichweite und der realen Gewaltausbrüche, die mit einigen dieser Subkulturen in Verbindung stehen, handelt es sich hierbei nicht um vereinzelte Randphänomene, sondern um eine ernste soziokulturelle Entwicklung (Kracher, 2021), deren psychoanalytischer Hintergrund in den folgenden Kapiteln näher beleuchtet wird.

Der Schatten des Phallus: Freuds, Kleins und Lacans Entwürfe männlicher Psyche

Die Entwicklung der männlichen Geschlechtsidentität ist in der psychoanalytischen Tradition untrennbar mit dem Wunsch nach und der Abwehr von Weiblichkeit verknüpft. Die klassischen Theorien von Sigmund Freud, Melanie Klein und Jacques Lacan bieten, wenn sie aus einer modernen, symbolischen Perspektive gelesen werden, ein machtvolles Instrumentarium, um die Wurzeln männlicher Fragilität und Aggression zu verstehen. Sie zeichnen das Bild einer Identität, die sich oft in einem defensiven Kampf konstituiert – einem Kampf gegen die Angst vor Abhängigkeit, Ohnmacht und dem Verlust von Potenz. Im Zentrum dieser Dynamiken steht die ambivalente Figur der Mutter und die alles überragende symbolische Bedeutung des Phallus.

Freud: Ödipus, symbolische Kastration und die Geburt der (fragilen) Männlichkeit

Die klassische psychoanalytische Theorie, begründet von Sigmund Freud, sieht den entscheidenden Wendepunkt der männlichen Identitätsbildung im Ödipus-Komplex. In dieser Phase (ca. 3.–5. Lebensjahr) richtet der Junge seine libidinösen Wünsche auf die Mutter und erlebt den Vater als mächtigen Rivalen. Aus dieser Konstellation erwächst die Kastrationsangst: die Furcht, der Vater könnte ihn für seine verbotenen Wünsche durch den Entzug seines Penis bestrafen. Die Lösung dieses Konflikts – und damit der Grundstein seiner männlichen Identität – liegt für den Jungen in der Abkehr von der Mutter und der Identifikation mit dem Vater und dessen internalisiertem Gesetz (Freud, 1905/1991).

Modernere psychoanalytische Lesarten, wie sie etwa von Timo Storck (2018) rezipiert werden, vertiefen dieses Verständnis, indem sie die symbolische Dimension dieser Konflikte gerade für die männliche Identitätsbildung herausarbeiten. Der Schlüssel liegt in der Neubewertung des Phallus-Begriffs. Der Phallus ist hier nicht mit dem anatomischen Penis gleichzusetzen, sondern ein abstraktes Symbol für Wirkmacht, Begehren und Potenz. Für den Jungen wird der eigene, sicht- und spürbare Penis jedoch zum entscheidenden Anker für diesen abstrakten Phallus. Er wird zum materiellen Beweisstück seiner aufkeimenden Männlichkeit und zum zentralen Instrument, mit dem er sich aus der ursprünglichen, als passiv und symbiotisch erlebten Einheit mit der Mutter zu lösen versucht.

In diesem Licht erhält auch die Kastrationsangst eine tiefere, für die männliche Entwicklung spezifische Bedeutung. Sie ist mehr als die Angst vor körperlicher Verstümmelung; sie ist die symbolische Angst, diese gerade erst gefundene, an den Penis geknüpfte Wirkmacht wieder zu verlieren und in einen Zustand der Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit zurückzufallen, den er unbewusst mit dem (als „kastriert“ fantasierten) weiblichen Körper assoziiert. Die universelle Entwicklungsaufgabe der symbolischen Kastration – die für alle Menschen notwendige Anerkennung der eigenen Grenzen und der eigenen Nicht-Allmacht – wird für den Jungen somit auf dramatische Weise an seinem Körper konkret. Seine männliche Identität konstituiert sich um die Abwehr dieser spezifischen Bedrohung.

Scheitert diese Verarbeitung, entsteht eine tiefgreifende narzisstische Fragilität, die für viele rigide Männlichkeitsformen kennzeichnend ist. Ein Mann, der die symbolische Kastration nicht akzeptieren kann, muss die Fantasie seiner phallischen Überlegenheit permanent aufrechterhalten. Jede Zurückweisung, jedes Scheitern und jede Konfrontation mit weiblicher Autonomie wird dann als existenzielle Bedrohung, als narzisstische Kränkung und als Reaktivierung der Kastrationsangst erlebt. Die aggressiven und frauenfeindlichen Ideologien der Manosphere (vgl. Kapitel I) können als eine solche hypermaskuline Abwehrhaltung verstanden werden, die eine tief sitzende Angst vor dem eigenen Mangel und der eigenen Verletzlichkeit kompensieren soll.

Der Ödipus-Komplex wiederum wird als der entscheidende strukturierende Moment verstanden, in dem der Junge seinen Platz in der sozialen Ordnung findet. Durch die erzwungene Aufgabe der Mutter als exklusives Liebesobjekt und die Identifikation mit dem Vater als repräsentativem Träger von Macht und Gesetz lernt der Junge, was es gesellschaftlich bedeutet, ein Mann zu sein. Dieser Prozess hat für die männliche Identitätsbildung jedoch oft einen hohen Preis: Die Identifikation mit dem „phallischen“ Vater erfordert häufig eine radikale Desidentifikation von der Mutter und damit die Abspaltung all jener als „weiblich“ kodierten Anteile im eigenen Selbst – wie Fürsorglichkeit, emotionale Abhängigkeit oder Rezeptivität. Männlichkeit wird so negativ definiert: als das, was „nicht-weiblich“ ist.

Die männliche Identität erweist sich somit nach Freud und seinen modernen Interpreten als das Resultat eines konflikthaften Ablösungsprozesses, dessen Motor die Angst vor dem Verlust der symbolischen Potenz ist. Eine solche, auf Abwehr basierende Identität erfordert eine unablässige Bestätigung der eigenen phallischen Position und führt oft zu einer rigiden Abwertung des Weiblichen. Die Furcht, durch weibliche Macht symbolisch „kastriert“ zu werden, und der Zwang, diese Angst durch Dominanz zu kompensieren, bilden damit den psychodynamischen Nährboden für jene defensiven Männlichkeitskonstruktionen, die im Zentrum dieser Arbeit stehen.

Klein: Die archaische Mutter und die Spaltung des Weiblichen

Während Freud den Konflikt mit dem Vater in den Mittelpunkt stellt, verlagert Melanie Klein (1932) den Fokus auf eine noch frühere, präödipale Ebene, die für die männliche Identitätsbildung von ebenso entscheidender Bedeutung ist. Bevor der Junge dem ödipalen Vater als Rivalen begegnet, ist er mit einer fundamentaleren, archaischeren Macht konfrontiert: der omnipotenten Mutter. In seiner totalen Abhängigkeit als Säugling erlebt er die Mutter als lebensspendende, aber auch potenziell verschlingende und überwältigende Kraft. Diese frühe Erfahrung ist geprägt von extremen Affekten, die das kindliche Ich noch nicht integrieren kann.

Um mit der unerträglichen Angst vor der eigenen Auflösung und dem Ausgeliefertsein umzugehen, greift der Junge zum primitivsten Abwehrmechanismus: der Spaltung. Er teilt die Mutter psychisch in zwei gegensätzliche Teilobjekte: eine idealisierte, nährende „gute Mutter“ und eine verfolgende, hasserfüllte „böse Mutter“. Die Aggression, die er gegen diese „böse Mutter“ richtet, ist sein erster, verzweifelter Versuch, Autonomie zu erlangen und sich aus der als bedrohlich empfundenen Symbiose zu befreien. Dieser aggressive Akt der Abgrenzung wird zu einem frühen Baustein seiner sich formierenden männlichen Identität.

Die psychische Reifung erfordert die Überwindung dieser Spaltung in der sogenannten depressiven Position, in der das Kind lernt, die Mutter als eine einzige, ganze Person mit liebenswerten und frustrierenden Eigenschaften zu sehen und zu lieben. Gelingt dieser integrative Schritt nicht oder nur unzureichend, bleibt der Spaltungsmechanismus als psychisches Muster erhalten. Dies liefert eine psychoanalytische Erklärung für die extremen Frauenbilder in der Manosphere. Die radikale Aufteilung in die begehrenswerte, aber unerreichbare „Stacy“ (die idealisierte gute Mutter) und die verhasste, manipulative „Femoid“ (die verfolgende böse Mutter) ist eine direkte Fortsetzung dieser archaischen Spaltung. Die Unfähigkeit, Frauen als komplexe, ganze Subjekte wahrzunehmen, und die Tendenz, sie bei der geringsten Frustration radikal abzuwerten, wurzeln in der unbewältigten Angst vor der überwältigenden Macht der frühen Mutterfigur. Der Hass auf Frauen wird so zur Reinszenierung eines nie gelösten, infantilen Terrors.

Lacan: Die männliche Maskerade und der Trug des Phallus

Jacques Lacan (1973) überführt diese Dynamiken in ein sprachlich-strukturalistisches Modell und bietet damit die radikalste Deutung der männlichen Identität als einer fundamentalen Maskerade. Bei Lacan tritt der Junge mit der Lösung des Ödipus-Konflikts in die symbolische Ordnung ein – die von Sprache, Gesetz und Kultur geprägte Welt. Der Phallus ist hier endgültig kein Organ mehr, sondern der zentrale, aber leere Signifikant des Begehrens: das, was dem Anderen (der Mutter) zu fehlen scheint und was das Subjekt ersehnt, um diesen Mangel zu füllen.

Die männliche Identitätsbildung ist für Lacan ein tragisches Missverständnis: Der Junge identifiziert den Penis des Vaters als den begehrten Phallus und schließt daraus, dass man den Phallus haben muss, um begehrenswert zu sein. Von diesem Moment an ist seine psychische Position festgelegt: Er wird sein Leben lang versuchen, die Rolle desjenigen zu spielen, der den Phallus hat (avoir). Diese Performance – die Zurschaustellung von Macht, Wissen, Reichtum und Kontrolle – ist das, was die Gesellschaft als „Männlichkeit“ anerkennt. Doch diese Position ist eine Illusion, denn niemand kann den Phallus wirklich besitzen. Jeder Mensch ist in der symbolischen Ordnung durch einen fundamentalen Mangel (manque) gekennzeichnet.

Die „toxische Männlichkeit“ der Alpha-Gurus ist aus dieser Perspektive die übersteigerte, fast schon karikaturhafte Inszenierung dieser Maskerade. Die ständige Demonstration von Überlegenheit dient dazu, den eigenen, unbewusst gespürten Mangel zu überdecken. Diese performative Männlichkeit ist jedoch extrem fragil. Jede Herausforderung durch weibliche Autonomie, jede Kritik und jede Zurückweisung droht, die Maske herunterzureißen und die dahinterliegende Leere – die „Kastration“ – zu enthüllen. Die misogyne Wut, die in der Manosphere tobt, ist die panische Reaktion auf diese drohende Entlarvung. Es ist der verzweifelte Versuch, die Frau gewaltsam in die Rolle des Objekts zurückzudrängen, das die männliche Performance bestätigt, anstatt sie in Frage zu stellen. Männlichkeit ist bei Lacan somit kein authentischer Wesenskern, sondern eine anstrengende, auf Verleugnung basierende und letztlich immer vom Scheitern bedrohte Inszenierung.

Zwischenfazit

Die psychoanalytischen Entwürfe von Freud, Klein und Lacan zeichnen, bei all ihren Unterschieden, ein konsistentes Bild: Die männliche Identität ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine fragile und defensive Konstruktion. Sie wird nicht aus sich selbst heraus gebildet, sondern in Abgrenzung gegen eine wahrgenommene Bedrohung. Bei Freud ist es die Angst vor der symbolischen Kastration durch den rivalisierenden Vater; bei Klein ist es die noch frühere, archaische Furcht vor der Verschlingung durch die omnipotente Mutter; und bei Lacan ist es die panische Abwehr des strukturellen Mangels, der durch die unmögliche Aufgabe, den Phallus zu haben, kaschiert werden muss. Das gemeinsame Resultat ist eine Identität, die sich durch die Abspaltung, Abwertung und Kontrolle des als „weiblich“ Kodierten zu stabilisieren versucht.

Diese psychoanalytischen Konzepte liefern die psychische Grammatik für die im ersten Kapitel beschriebenen Phänomene. In Momenten persönlicher oder gesellschaftlicher Krisen, in denen Männer ihre Position als bedroht empfinden, werden diese alten Abwehrdynamiken reaktiviert. Das bedeutet nicht, dass alle Männer zwangsläufig misogyn sind, sondern dass bei einer labilen Ich-Struktur und fehlenden reiferen Bewältigungsstrategien die Angst, „nicht mehr richtig Mann zu sein“, leicht in jene aggressiven und sexistischen Formen umschlagen kann, die in der Manosphere kultiviert werden (vgl. Pohl, 2004). Die dort gepflegte Feindseligkeit gegenüber Frauen erscheint so als verzweifelter Versuch, eine brüchige Identität durch die Projektion eigener Ohnmachts- und Abhängigkeitsgefühle auf ein äußeres Feindbild zu kitten.

Die bisherigen Analysen legten den Fokus auf die intrapsychischen Konflikte und die grundlegenden Strukturen der Psyche. Doch diese klassischen Modelle wurden auch kritisiert – insbesondere für ihren teils androzentrischen Blick und eine relative Vernachlässigung der realen, intersubjektiven Beziehungsdynamiken und der soziokulturellen Rahmenbedingungen, die die Geschlechterrollen prägen.

Im nächsten Schritt gilt es daher, den psychoanalytischen Blick zu weiten und jene Theorien einzubeziehen, die genau diese Leerstellen füllen. Feministische und intersubjektive Weiterentwicklungen, wie sie von Denkerinnen wie Nancy Chodorow und Jessica Benjamin formuliert wurden, rücken die prägende Kraft der frühen Mutter-Kind-Beziehung und die Dialektik von Anerkennung und Dominanz ins Zentrum. Sie fragen danach, wie die gesellschaftliche Organisation von Fürsorge die unterschiedlichen Identitätswege von Jungen und Mädchen formt und wie das Ringen um Autonomie die Beziehungsfähigkeit beeinflusst. Diese Brücke von der intrapsychischen Struktur zur gelebten Intersubjektivität schlägt das kommende Kapitel.

Jenseits des Ödipus: Feministische und intersubjektive Erweiterungen der Männlichkeitstheorie

Die klassischen psychoanalytischen Modelle männlicher Geschlechtsidentität lieferten zwar ein revolutionäres Instrumentarium zum Verständnis der unbewussten Dynamiken der Psyche, stießen jedoch im Laufe des 20. Jahrhunderts hinsichtlich ihrer Erklärungskraft für die Vielfalt und Komplexität männlicher Entwicklung zunehmend an ihre Grenzen. Insbesondere eine oft implizite Androzentrik – die Tendenz, männliche Erfahrung als universelle Norm zu setzen – und die relative Vernachlässigung präödipaler, sozialer und intersubjektiver Faktoren gerieten in den Fokus kritischer Auseinandersetzungen. In diesem Kontext diagnostizierte der Psychoanalytiker Aigner (2017) mit pointierter Schärfe, Männlichkeit selbst sei zu einem „neuen dunklen Kontinent“ in der Psychoanalyse avanciert. Diese Metapher, eine bewusste Anspielung auf Christa Rohde-Dachsers (1991) berühmte „Expedition in den dunklen Kontinent“ weiblicher Sexualität, impliziert nicht, dass Männlichkeit gänzlich unerforscht geblieben wäre, sondern vielmehr, dass sie trotz – oder gerade wegen – ihrer historischen Position als vermeintliche Norm von signifikanten „blinden Flecken“ und theoretischen Lücken durchzogen ist (Aigner, 2017).

Aigners These von der „Unterbelichtetheit“ männlicher Entwicklung gründet auf der Beobachtung, dass die klassische Psychoanalyse den Mann oft als das implizite „Normal-Ich“ oder „Normal-Subjekt“ konzipierte. Die Entwicklung des Jungen zum Mann galt weithin als der unproblematischere Pfad, während die weibliche Entwicklung als die komplexere, erklärungsbedürftigere und mit spezifischen „Rätseln“ (wie dem Penisneid oder der Frage nach der weiblichen Sexualität) behaftete angesehen wurde. Dieser androzentrische Bias, so Aigner, führte paradoxerweise dazu, dass viele spezifisch männliche Entwicklungsthemen, Konflikte und Vulnerabilitäten nur unzureichend oder verzerrt Beachtung fanden. Dazu zählen etwa die tiefgreifende Bedeutung und Ambivalenz der frühen Mutter-Sohn-Dyade jenseits der Mutter als bloßem Triebobjekt, die komplexe Rolle eines real anwesenden, abwesenden oder idealisierten Vaters, der nicht nur als ödipale Rivalenfigur, sondern auch als Identifikationsobjekt und als „Dritter“ in der Beziehung zur Mutter fungiert, die oft tabuisierte emotionale Verletzlichkeit des Jungen oder auch leib-seelische Erfahrungen wie der von einigen Autoren postulierte (und in der klassischen Psychoanalyse marginalisierte) „Gebärneid“ als männliches Pendant zum Penisneid (vgl. Nitzschke, 1988; Becker, 2002). Aigner (2017) zitiert in diesem Zusammenhang zustimmend Rohde-Dachser (1991), die darauf hinwies, dass tradierte Geschlechtsrollen für beide Geschlechter eine Form der Entfremdung und Einschränkung bedeuten können, und konstatiert: „Nun gibt es auch zur Psychoanalyse des Mannes eine Menge blinder Flecken, und das ist zwar nicht an sich ‚neu‘, sondern nur insofern, als uns manches davon erst nach und nach bewusst wird.“

Diese theoretischen Blindstellen manifestieren sich nach Aigner (2017) häufig in einer problematischen Dichotomisierung oder Einseitigkeit der Erklärungsansätze. Einerseits kritisiert er Tendenzen zu einem undifferenzierten Biologismus, der männliches Verhalten und Erleben primär auf angeborene, hormonelle oder evolutionär bedingte Faktoren zurückführt und dabei Gefahr läuft, stereotype, naturalisierende und letztlich ahistorische Annahmen über „das Männliche“ zu perpetuieren. Andererseits warnt er vor einem ebenso reduktionistischen Sozialkonstruktivismus, der die leib-seelische Dimension männlicher Erfahrung – die Bedeutung des Körpers, der Anatomie (etwa die Realität des Penis und seine symbolische Aufladung) oder die biologische Unmöglichkeit des Gebärens – vernachlässigt oder als rein kulturelles Konstrukt abtut. Eine ausbalancierte  psychoanalytische Theorie von Männlichkeit müsse hingegen, so Aigners Plädoyer, beide Dimensionen – die körperliche Verfasstheit und die soziokulturelle Formung – in ihrer komplexen Wechselwirkung und dialektischen Verschränkung berücksichtigen. Es gehe darum, „Männlichkeit“ nicht nur als gesellschaftliches Konstrukt von Macht und Privilegien (eine wichtige, aber nicht hinreichende Perspektive) zu analysieren, sondern ihre psychodynamischen Wurzeln, ihre inneren Konflikte und ihre spezifischen Entwicklungsherausforderungen in den Blick zu nehmen.

Die Dringlichkeit einer solchen differenzierten Auseinandersetzung mit Männlichkeit wird angesichts der in den vorangegangenen Kapiteln skizzierten gesellschaftlichen Phänomene – von der Verbreitung toxischer Männlichkeitsideale im digitalen Raum bis hin zur realen Gewaltbereitschaft einiger ihrer Anhänger – überdeutlich. Dieses Kapitel widmet sich daher jenen Denker*innen und theoretischen Strömungen, die entscheidende Impulse für ein solch erweitertes Verständnis männlicher Identitätsentwicklung jenseits klassischer ödipaler Modelle und androzentrischer Engführungen geliefert haben. Insbesondere die feministische Psychoanalyse und intersubjektive Ansätze haben hier Pionierarbeit geleistet. Theoretikerinnen wie Nancy Chodorow und Jessica Benjamin haben durch ihre kritische Re-Lektüre klassischer Konzepte, ihre Betonung der frühen Objektbeziehungen und der prägenden Rolle der Mutter-Kind-Dyade sowie durch ihre Analyse der Anerkennungsdynamiken entscheidende Beiträge zur Erhellung der von Aigner diagnostizierten „blinden Flecken“ geliefert. Aufbauend auf diesen und anderen kritischen Weiterentwicklungen bietet Michael J. Diamond schließlich ein Modell an, das die präödipale Verwundbarkeit des Jungen, die komplexe Bedeutung des Vaters und die Notwendigkeit der Integration sogenannter „weiblicher“ Anteile für eine reife, „genitale“ Männlichkeit in den Mittelpunkt stellt. Indem dieses Kapitel diesen Weg von der Kritik an den Leerstellen der klassischen Theorie über die feministischen Erweiterungen bis hin zu integrativen zeitgenössischen Konzepten nachzeichnet, soll ein Beitrag zur Erforschung des „neuen dunklen Kontinents“ Männlichkeit geleistet und gezeigt werden, wie die „Fallstricke unreflektierter traditioneller oder patriarchaler Klischees“ (Aigner, 2017) in der psychoanalytischen Theoriebildung erkannt und potenziell überwunden werden können. Es öffnet sich der Weg für eine komplexere Einsicht in männliche Identität, die weder in ein starres Schema von Aktivität versus Passivität, von Stärke versus Schwäche verfällt, noch den männlichen Körper und seine spezifischen Erfahrungen und Vulnerabilitäten ausblendet.

Die Last der Differenz: Nancy Chodorow und die männliche Definition durch „Nicht-Weiblichkeit“

Nancy Chodorow, eine der prominentesten Vertreterinnen der feministischen Psychoanalyse, leistete mit ihrem 1978 erschienenen Werk The Reproduction of Mothering: Psychoanalysis and the Sociology of Gender einen bahnbrechenden Beitrag zur Revision psychoanalytischer Theorien der Geschlechtsentwicklung. Sie verlagerte den Fokus von der primär intrapsychischen Dynamik des Ödipus-Komplexes, wie er von Freud konzipiert wurde, auf die soziokulturelle Organisation der Elternschaft und deren tiefgreifende Auswirkungen auf die unterschiedlichen Identitätswege von Jungen und Mädchen. Chodorows zentrale These besagt, dass die in den meisten westlichen Gesellschaften vorherrschende geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, bei der Frauen die primäre und oft exklusive Verantwortung für die frühe Kinderbetreuung tragen („mothering“), fundamentale Konsequenzen für die psychische Strukturierung und Identitätsbildung beider Geschlechter hat.

Für Jungen, so Chodorow, ergibt sich aus dieser Konstellation eine spezifische Entwicklungsherausforderung. Ihr primäres Liebes- und Identifikationsobjekt in den ersten Lebensjahren ist die Mutter, eine Person des weiblichen Geschlechts. Um eine stabile männliche Geschlechtsidentität zu entwickeln, muss der Junge sich von dieser frühen, symbiotisch geprägten Identifikation mit der Mutter lösen und sich von ihr als dem „Anderen“ abgrenzen. Dieser Prozess der Desidentifikation von der Mutter und der Hinwendung zu einer männlichen Identität wird jedoch, so Chodorows Beobachtung, dadurch erschwert, dass der Vater in vielen Familienstrukturen aufgrund beruflicher Verpflichtungen oder tradierter Rollenvorstellungen emotional und physisch weniger präsent und verfügbar ist als die Mutter. Die männliche Identifikationsobjekt ist somit oft diffuser, abstrakter oder stärker idealisiert als die konkrete, alltäglich erfahrene Beziehung zur Mutter.

Infolgedessen, so Chodorows Kernargument, erfolgt die männliche Identitätsbildung weniger durch eine positive, internalisierende Identifikation mit einem klar konturierten und emotional zugänglichen männlichen Vorbild als vielmehr durch eine Negation der mütterlichen, weiblichen Welt. „Männlichkeit“ wird somit primär als „Nicht-Weiblichkeit“ konstruiert. Jungen lernen, was es heißt, ein Mann zu sein, indem sie lernen, was es heißt, keine Frau zu sein und sich von den Eigenschaften und Verhaltensweisen abzugrenzen, die sie mit ihrer Mutter und mit Weiblichkeit im Allgemeinen assoziieren. Dazu gehören oft Fürsorglichkeit, emotionale Expressivität, Abhängigkeit, Passivität und eine starke Beziehungsorientierung. Diese als „weiblich“ konnotierten Anteile müssen aktiv abgewehrt, verleugnet oder abgewertet werden, um die eigene, als different und autonom erlebte männliche Identität zu festigen. Dieser Prozess ist oft mit einer stärkeren Betonung von Individuation, rationaler Kontrolle, emotionaler Zurückhaltung und einer Abwehr von Intimität verbunden, während die Fähigkeit zur Empathie und tiefen emotionalen Verbundenheit potenziell unterentwickelt bleibt oder als Bedrohung der mühsam errungenen männlichen Identität und Autonomie wahrgenommen wird.

Chodorow (1978) sieht in dieser geschlechtsspezifischen Sozialisationsdynamik eine der zentralen Ursachen für die Reproduktion patriarchaler Strukturen und Geschlechterhierarchien. Männer, deren Identität auf der Abwehr und Abwertung des Weiblichen beruht, neigen dazu, Frauen und als weiblich geltende Werte geringzuschätzen und männliche Dominanz in privaten wie öffentlichen Sphären aufrechtzuerhalten. Die frühe, prägende Erfahrung, von einer Frau intensiv umsorgt und genährt zu werden, während die männliche Rolle primär im außerfamiliären, leistungsorientierten Bereich verortet wird, prägt unbewusst Erwartungen an Geschlechterrollen und intime Beziehungen. Diese Analyse macht deutlich, wie tief die gesellschaftliche Arbeitsteilung der Geschlechter in die psychische Struktur von Männlichkeit eingreift und wie schwierig es für viele Männer sein kann, als „weiblich“ konnotierte Anteile in ihr Selbstbild zu integrieren, ohne ihre mühsam errungene und oft rigide definierte männliche Identität gefährdet zu sehen (Chodorow, 1978; vgl. Pohl, 2004). Chodorows Werk legt somit nahe, dass eine Veränderung der Männlichkeitskonstruktionen auch eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Organisation von Fürsorgearbeit und väterlicher Beteiligung erfordert.

Das Ringen um Anerkennung: Jessica Benjamin und die Dialektik von Dominanz und Abhängigkeit

Jessica Benjamin (1988) erweiterte die psychoanalytische Perspektive durch die Einführung einer intersubjektiven Theorie, die das menschliche Grundbedürfnis nach wechselseitiger Anerkennung in den Mittelpunkt stellt. In ihrem einflussreichen Buch The Bonds of Love: Psychoanalysis, Feminism, and the Problem of Domination kritisiert sie die klassische psychoanalytische Fokussierung auf das isolierte Individuum und dessen intrapsychische Triebschicksale. Stattdessen betont sie die dyadische Beziehung – beginnend mit der Mutter-Kind-Interaktion – als primären Ort der Selbstentwicklung und der Konstituierung von Subjektivität. Für Benjamin ist die Fähigkeit, den Anderen als ein eigenständiges Subjekt mit eigenen Gefühlen, Wünschen und Intentionen anzuerkennen und gleichzeitig selbst als solches Subjekt vom Anderen anerkannt zu werden, fundamental für eine gesunde psychische Entwicklung und für die Möglichkeit echter Intimität. Diese Dialektik von Selbstbehauptung und Anerkennung des Anderen ist jedoch, so Benjamin, ein komplexer und spannungsgeladener Prozess, der leicht gestört werden kann und oft in einseitige Dominanz-Unterwerfungs-Muster mündet.

In patriarchal geprägten Gesellschaften, so Benjamins Analyse, kommt es häufig zu einem Zusammenbruch dieser wechselseitigen Anerkennung zugunsten von Geschlechterhierarchien, in denen das Männliche die Subjektposition und das Weibliche die Objektposition einnimmt. Insbesondere in der männlichen Entwicklung sieht sie die Gefahr, dass die Anerkennung der (mütterlichen) primären Bezugsperson als ein von ihm getrenntes, eigenständiges Subjekt vermieden oder verleugnet wird. Um die eigene, sich entwickelnde Autonomie zu sichern und die Angst vor Verschmelzung oder Überwältigung durch die zunächst als allmächtig erlebte Mutter abzuwehren, kann der Junge dazu neigen, die Andere – die Mutter, später die Frau – zum Objekt zu machen. Dieses Objekt kann dann kontrolliert, idealisiert, entwertet oder als Projektionsfläche für eigene unliebsame Anteile genutzt werden. Dieses Muster, in dem der Mann die aktive, kontrollierende Subjektposition einnimmt und die Frau auf die passive, dienende oder bedrohliche Objektrolle reduziert wird, ist tief in kulturellen Narrativen, sozialen Praktiken und unbewussten Fantasien verankert (Benjamin, 1988).

Die Wurzel dieses männlichen Strebens nach Dominanz und Kontrolle sieht Benjamin (1988) in der unbewussten Angst vor der eigenen Bedürftigkeit, Abhängigkeit und emotionalen Vulnerabilität, die in der frühen, intensiven Beziehung zur mächtigen Mutter erlebt wurde. Die Anerkennung der Frau als ein gleichwertiges, eigenständiges Subjekt mit eigenen Wünschen, Grenzen und einer eigenen Sexualität würde bedeuten, die eigene Angewiesenheit, das eigene Begehren nach dem Anderen und die damit verbundene Verletzlichkeit zu akzeptieren. Um dieser oft als unerträglich erlebten Konfrontation mit der eigenen Ohnmacht und Abhängigkeit zu entgehen, flüchten viele Männer in die Illusion der Autarkie, der emotionalen Unberührbarkeit und der rationalen Kontrolle. Diese defensive Haltung geht jedoch auf Kosten echter Intimität, lebendiger Wechselseitigkeit und der Fähigkeit, den Anderen wirklich als Subjekt wahrzunehmen und anzuerkennen. Die in Kapitel I beschriebenen Phänomene wie die Objektifizierung von Frauen durch PUAs, die aggressive Abwehr weiblicher Autonomie durch Incel-Gruppierungen oder die herablassende Haltung mancher „Alpha-Male“-Gurus können aus Benjamins intersubjektiver Perspektive als verzweifelte Versuche interpretiert werden, die eigene fragile Männlichkeit durch die Verleugnung der Subjekthaftigkeit der Frau und die narzisstische Abwehr der eigenen Abhängigkeitsgefühle zu stabilisieren (Benjamin, 1988; Pohl, 2004). Eine reife Männlichkeit würde demnach die Fähigkeit beinhalten, diese defensive Haltung und die damit verbundenen Dominanzansprüche aufzugeben und sich der Herausforderung und dem Risiko wechselseitiger Anerkennung zu stellen, was die Bereitschaft zur Konfrontation mit der eigenen Verletzlichkeit voraussetzt.

Die verleugnete Wunde und das integrierte Selbst: Michael J. Diamonds Weg zur reifen Männlichkeit

Michael J. Diamond (2004, 2015, 2021) markiert einen wichtigen Wendepunkt in der zeitgenössischen psychoanalytischen Auseinandersetzung mit Männlichkeit. Er verlagert den Fokus von einer rein ödipalen Betrachtung hin zu den oft übersehenen und verleugneten präödipalen Verwundbarkeiten des Jungen. Aus diesen frühen Erfahrungen leitet er die Entstehung komplexer Abwehrmechanismen ab, die häufig in einer rigiden, defensiv-phallisch geprägten Männlichkeit münden. Diamonds theoretisches Projekt zielt jedoch über die Diagnose dieser defensiven Strukturen hinaus: Er entwirft die Vision einer „genitalen Männlichkeit“, die durch die Integration abgespaltener Anteile, die Akzeptanz von Ambivalenz und die Fähigkeit zu reifer Objektliebe und Intersubjektivität gekennzeichnet ist. Ein zentrales Konzept in diesem Zusammenhang ist das des bi-genderalen Selbst. Diamond (2004, 2021) postuliert, dass Menschen, unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht, psychische Potenziale in sich tragen, die kulturell traditionell als „männlich“ (z.B. Aktivität, Durchsetzung) oder „weiblich“ (z.B. Rezeptivität, Fürsorge) kodiert werden. Psychische Reife und eine stabile Identität entstehen nach Diamond nicht durch die rigide Polarisierung und Abspaltung eines dieser Pole, sondern gerade durch deren dynamische Integration. Die pathologische Abspaltung sogenannter „weiblicher“ Anteile – das heißt, alles was als weich, fürsorglich, verletzlich oder emotional empfunden wird – betrachtet er als eine Kernursache toxischer Männlichkeitsformen. Eine Identität, die sich primär durch die Dauerabgrenzung vom „Weiblichen“ und die permanente Abwehr des eigenen Inneren definieren muss, verharrt in einem fortwährenden Verteidigungsmodus und ist unfähig zu echter Flexibilität und Intimität (Diamond, 2004).

Von der präphallischen Ohnmacht zur phallischen Kompensation: Die Wurzeln männlicher Abwehr

Diamonds Analyse männlicher Identitätsentwicklung beginnt in der präphallischen Phase, einem Zeitraum, der in klassischen psychoanalytischen Konzepten oft weniger Beachtung fand als der Ödipus-Komplex. Er betont, dass der männliche Säugling in seiner totalen Abhängigkeit von der (meist mütterlichen) primären Bezugsperson eine spezifische Form der Hilflosigkeit und Andersheit erlebt. Diese primal vulnerability (Diamond, 2004) resultiert aus der körperlich-geschlechtlichen Differenz zur Mutter (er besitzt kein weibliches Genital, nimmt die Mutter aber als omnipotent wahr) und der fundamentalen Angewiesenheit auf ihre Fürsorge. Der Junge, so Diamond, kann diese frühe Diskrepanz zwischen eigenem Mangel und mütterlicher Allmacht oft nicht symbolisch verarbeiten. Diese präverbale Erfahrung einer existenziellen Ohnmacht und Abhängigkeit bildet einen latenten, oft unbewussten Kern der männlichen Psyche, um den sich später komplexe Abwehrmechanismen und Identitätskonstruktionen ranken. Das Spannungsfeld aus Begehren und Fremdheit, aus dem Wunsch nach symbiotischer Einheit und dem beginnenden Drang zur Differenzierung, wird zur Wurzel einer spezifisch männlichen Angst – der Angst vor Regression, vor dem Wiedererleben der frühen Ohnmacht und vor dem Verschlungenwerden durch die als übermächtig erlebte mütterliche Figur. Diese Angst, so Diamond, führt in vielen Fällen dazu, dass Jungen und später Männer ihre tiefen Wünsche nach Bindung, Nähe und emotionaler Hingabe verleugnen, abwerten oder rationalisieren, da diese unbewusst mit der traumatischen Erinnerung an die frühe Abhängigkeit und Verletzlichkeit verknüpft sind.

Aufbauend auf dieser fundamentalen präphallischen Verwundbarkeit interpretiert Diamond (2004, 2021) die klassische phallische Phase als einen entscheidenden, aber oft fehlgeleiteten Versuch, die vormals erlebte Ohnmacht zu kompensieren und zu bewältigen. Der Penis rückt nun ins Zentrum der kindlichen Wahrnehmung und erlangt eine überragende symbolische Bedeutung. Er wird zum sichtbaren Zeichen von Macht, Aktivität und Überlegenheit und damit zum materiellen Träger einer phallischen Abwehrlogik. Dieses Denken und Fühlen, das die männliche Identität in dieser Phase dominiert, orientiert sich am starren, binären Schema des „Habens versus Nicht-Habens“: Der Besitz des Penis wird mit Aktivität, Durchsetzungsstärke, Autonomie und Überlegenheit gleichgesetzt, während das Fehlen des Penis (beim Mädchen und bei der Mutter) mit Passivität, Verletzlichkeit, Mangel oder gar Kastration assoziiert wird. Der Junge nutzt diese Logik, um sich von seiner ursprünglichen Abhängigkeit von der Mutter abzusetzen und eine scheinbar autonome und überlegene Position einzunehmen. Indem er sich phantasiert, er „besitze“ das entscheidende Organ, das ihm Macht und Kontrolle verleiht, muss er sich nicht mehr in die Lage des Hilflosen, Bedürftigen und von der Mutter Abhängigen versetzen. Folglich wird alles, was als passiv, rezeptiv, emotional oder „weiblich“ erscheint, als bedrohlich für die eigene, mühsam errungene männliche Identität erlebt, da es an die verleugnete frühkindliche Ohnmacht und Abhängigkeit erinnern könnte. Eine solche binäre und rigide Dichotomie, so Diamond, kann sich später im Erwachsenenalter in extremen, oft rigiden und defensiven Männlichkeitsentwürfen manifestieren. Sobald ein Mann seine fragile „phallische Sicherheit“ bedroht sieht – sei es durch reale oder phantasierte Zurückweisung, durch Konkurrenz, durch weibliche Autonomie oder durch eigene Schwächegefühle –, wird die alte Angst vor Ohnmacht und Abhängigkeit reaktiviert. Die Reaktion darauf ist oft eineRegression in hypermaskuline Machtdemonstrationen, aggressive Abgrenzungsmanöver, die Herabsetzung anderer (insbesondere Frauen oder als „schwächer“ wahrgenommener Männer), Homophobie oder ausgeprägte Frauenfeindlichkeit. Das Problem liegt nach Diamond nicht in der phallischen Phase an sich, die eine notwendige Entwicklungsstufe auf dem Weg zur Individuation darstellt, sondern in der starren, unflexiblen Fixierung auf diese phallische Position als dauerhafte und einzige „Rettung“ vor den unbewussten Erinnerungen an Mangel, Abhängigkeit und die damit verbundene Angst.

Der Weg zur Integration: Genitale Männlichkeit und die Überwindung der Spaltung

Den Ausweg aus dieser defensiven und oft destruktiven phallischen Fixierung sieht Diamond (2021) in der Entwicklung einer „genitalen Männlichkeit“. Dieses Konzept beschreibt eine reifere, flexiblere und weniger gespaltene Form männlicher Identität. Die genitale Männlichkeit geht über die phallische Abwehrlogik hinaus und beinhaltet eine echte Integration der zuvor abgespaltenen „weiblichen“ oder rezeptiven Anteile des Selbst. Sie überwindet die starre binäre Trennung von „aktiv = männlich / passiv = weiblich“ und erkennt die Komplexität und Ambivalenz menschlicher Erfahrung an. In einer genitalen Haltung, so Diamond, kann der Mann den Penis als ein Organ erfahren, das nicht nur aggressiv-dominant und penetrierend, sondern auch lustvoll-empfänglich, beziehungsstiftend und Teil einer wechselseitigen, von gegenseitiger Anerkennung geprägten sexuellen und emotionalen Interaktion ist. Es geht hierbei weniger um eine anatomische Veränderung als um ein grundlegend verändertes Selbstverständnis: Der Mann bleibt zwar körperlich „Mann“ und kann seine aktive Seite leben, darf und kann jedoch Empfänglichkeit, Verletzlichkeit, Emotionalität, Fürsorglichkeit und Abhängigkeitsbedürfnisse in sein Identitätsgefühl integrieren, ohne sich dadurch entmachtet, „kastriert“ oder in seiner Männlichkeit bedroht zu fühlen. Eine solche genitale Organisation, so Diamond, anerkennt die Realität und Legitimität eigener Bedürfnisse und die unvermeidliche Abhängigkeit von geliebten anderen Personen. Nähe, Intimität und Bindung können zugelassen und genossen werden, weil die Erfahrung innerer Differenziertheit und Stärke es erlaubt, die frühe Verwundbarkeit nicht mehr als existenzielle Gefahr, sondern als grundlegendes menschliches Moment zu begreifen, das erst tiefe und erfüllende Beziehungen ermöglicht. Die pathologische Abspaltung als Quelle toxischer Männlichkeitsformen, bei der als „weiblich“ geltende Anteile (weich, fürsorglich, verletzlich) permanent bekämpft oder verleugnet werden müssen, wird überwunden. Eine Identität, die sich nicht mehr durch Dauerabgrenzung vom „Anderen“ (sowohl im Außen als auch im Inneren) definieren muss, entkommt dem fortwährenden Verteidigungsmodus und gewinnt an Flexibilität, Offenheit und Lebendigkeit. Die Integration des „Inneren Weiblichen“ ist somit kein Verlust an Männlichkeit, sondern eine Erweiterung und Bereicherung des männlichen Selbst.

Um diesen inneren Konflikt zwischen der oft grandiosen Fassade scheinbar unbesiegbarer Phallizität und der tief verborgenen, oft schamhaft verleugneten Verwundbarkeit anschaulich zu machen, verwendet Diamond (2015) das eindrückliche Bild der Achillesferse. Der mythologische Held Achilles galt als nahezu unverwundbar, mit Ausnahme seiner Ferse – jenem Punkt, an dem ihn seine Mutter Thetis beim Eintauchen in den Fluss Styx festhielt, um ihm Unsterblichkeit zu verleihen. Diese Metapher verdeutlicht nach Diamond, wie männliche Identität oft eine „unsterbliche Rüstung“ aus Härte, Autonomie, emotionaler Distanz und Leistungsstreben anlegt, um die eigentliche, oft unbewusste Schwachstelle zu verdecken und zu schützen. Diese Schwachstelle ist die unbewältigte Erinnerung an den ureigenen Mangel, die primäre Abhängigkeit von der mütterlichen Figur und die damit verbundene tiefe Angst, erneut ausgeliefert, ohnmächtig und hilflos zu sein. So wie Achilles sich selbst für unbesiegbar hielt, müssen Männer, die rigide auf phallische Allmacht und omnipotente Kontrollfantasien setzen, diese innere Verwundbarkeit nicht spüren. Doch die „Ferse“ bleibt ein realer, wunder Punkt, eine Quelle latenter Angst. Bricht die Fassade der Omnipotenz in Krisensituationen – sei es durch Trennungen, beruflichen Misserfolg, sexuelle Schwierigkeiten oder die Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit –, kann die unterdrückte Angst eruptiv und oft unkontrolliert hervortreten und sich in aggressiven, selbstzerstörerischen, depressiven oder frauenfeindlichen Ausbrüchen äußern. Diamond betont jedoch eindringlich, dass die Achillesferse nicht nur eine Quelle von Leid und Pathologie darstellt, sondern auch einen entscheidenden Spielraum für Entwicklung und Heilung bietet: Sobald ein Mann diese empfindliche Stelle bei sich anerkennt und akzeptiert, anstatt sie weiterhin zu verleugnen oder zu projizieren, kann er sich den längst abgespaltenen Gefühlen von Angst, Trauer, Scham und Bedürftigkeit annähern. Dies ermöglicht es ihm, die rigide Verteidigung gegen das vermeintlich bedrohliche „Weibliche“ (im Innen wie im Außen) aufzugeben und die Gleichzeitigkeit von Stärke und Verwundbarkeit, von Autonomie und Abhängigkeit, von Aktivität und Rezeptivität in sich zu integrieren.

Fördernde und hemmende Faktoren auf dem Weg zur Integration

Eine entscheidende Rolle für die Bewältigung dieser komplexen Entwicklungsaufgaben und die Möglichkeit, eine reifere, genitale Männlichkeit zu erreichen, schreibt Diamond (2021) der väterlichen Funktion und der Etablierung eines stabilen triangulären Raums zu. Aufbauend auf klassischen psychoanalytischen Überlegungen zur Bedeutung des Vaters für die Loslösung des Kindes aus der primären Mutter-Kind-Dyade (z.B. bei Abelin), erweitert und differenziert Diamond diese Perspektive. Ein präsenter, emotional verfügbarer und fürsorglicher Vater (oder eine andere väterliche Figur) kann dem Jungen entscheidende alternative Identifikationsmöglichkeiten bieten, die nicht allein auf Dominanz, Härte oder der rigiden Abwehr des Weiblichen beruhen. Ein solcher Vater kann dem Jungen helfen, sich aus der oft als überwältigend erlebten dyadischen Enge mit der Mutter zu lösen, ohne das Weibliche abwerten oder fürchten zu müssen. Er repräsentiert ein „Drittes“, das Sicherheit, Orientierung und ein Modell für eine integrierte Männlichkeit bieten kann. Ist der Vater hingegen physisch oder emotional abwesend, unzuverlässig, selbst in rigiden Männlichkeitsidealen gefangen oder gar gewalttätig, kann sich die Angst des Jungen vor der als allmächtig und potenziell verschlingend erlebten Mutter verstärken. Dies kann die Notwendigkeit einer kompensatorischen, hyperphallischen und defensiven Selbstdefinition erhöhen, um die eigene fragile Autonomie zu schützen. Der Vater als positiver „Anker“ im triangulären Raum kann dem Jungen helfen, ein breiteres Spektrum männlicher Rollenmodelle zu internalisieren, was den Weg zur genitalen Männlichkeit und zur Integration von Verschmelzungsängsten und Dominanzwünschen ebnet.

Eng verbunden mit der Fähigkeit zur Integration unterschiedlicher Selbstanteile ist Diamonds (2004, 2021) erneuter Bezug auf Freuds ursprüngliche, aber oft vernachlässigte Idee einer grundlegenden psychischen Bisexualität. Jeder Mensch, so Diamond in Anlehnung an Freud, birgt sowohl „männliche“ (traditionell assoziiert mit Aktivität, Durchsetzung, Penetration) als auch „weibliche“ (traditionell assoziiert mit Rezeptivität, Hingabe, Empfänglichkeit) Potenziale in sich. Für den Mann bedeutet dies, dass er neben dem Drang zu Aktivität und Autonomie auch das tiefe Bedürfnis nach Hingabe, passivem Genießen, emotionaler Empfänglichkeit und dem Erleben von Verbundenheit besitzt. In vielen patriarchalen Kulturen und auch in internalisierten psychischen Strukturen wird dieser rezeptive, als „weiblich“ konnotierte Anteil jedoch oft massiv abgewertet, als „Weichheit“, „Schwäche“ oder gar als Bedrohung der männlichen Identität und der heterosexuellen Normativität denunziert. Dies kann zu einer rigiden Abwehr dieser Anteile führen – insbesondere bei Männern, die in ihrer präphallischen Phase gravierende Ohnmachts- und Abhängigkeitserfahrungen gemacht haben und fürchten, durch das Zulassen rezeptiver Gefühle erneut in diese Position der Hilflosigkeit zu geraten. Jeder Ausdruck von „passiver“ Lust, emotionaler Zärtlichkeit oder hingebungsvoller Zuwendung könnte dann an die Urangst gemahnen und die Flucht in eine starre, kontrollierende Phallizität verstärken. Erst wenn dieser abgespaltene, oft mit Scham und Angst besetzte „weibliche“ Anteil schrittweise anerkannt, wertgeschätzt und integriert werden darf, kann sich, so Diamond, eine reifere, vollständigere Männlichkeit entfalten, die freier, kreativer und angstfreier mit Lust, Sexualität, Emotionen und intimen Bindungen umgehen kann. Die Scham vor der eigenen Verletzlichkeit und Empfänglichkeit kann sich dann in einen wichtigen Wegweiser zur persönlichen Entwicklung und zu tieferer Selbsterkenntnis verwandeln.

Gesellschaftliche Echos und praktische Konsequenzen

Diamonds Überlegungen beschränken sich keineswegs auf die Individualpsychologie oder die klinische Praxis, sondern haben auch weitreichende gesellschaftliche Implikationen. Gerade in modernen Gesellschaften, in denen traditionelle männliche Rollen, Privilegien und Machtpositionen durch Emanzipationsbewegungen, den Ruf nach Gleichstellung und den allgemeinen soziokulturellen Wandel herausgefordert und in Frage gestellt werden, zeigt sich nach seiner Theorie oft eine Verschärfung der alten psychischen Dynamiken: Die patriarchale Idealisierung eines harten, unemotionalen und dominanten Männlichkeitsideals verstärkt die Angst vieler Männer, „nicht mehr Mann genug“ zu sein oder ihre angestammte Position zu verlieren. Dies kann, wie Diamond (2021) andeutet, zu reaktionären, oft frauenfeindlichen, homophoben oder queerfeindlichen Gegenbewegungen führen, die eine Rückkehr zu vermeintlich „natürlichen“ und hierarchischen Geschlechterordnungen fordern. Das Internet, insbesondere digitale Subkulturen wie die in Kapitel I beschriebene Manosphere, verstärkt diesen Prozess häufig durch Echokammer-Effekte und die schnelle Verbreitung extremistischer Ideologien. Männer, die ihre innere Verwundbarkeit nicht aushalten und ihre Ängste nicht konstruktiv bearbeiten können, suchen und finden in diesen Online-Räumen Bestätigung für eine phallische Überlegenheitsidee und radikalisieren sich in ihrer Abwehr des vermeintlich bedrohlichen oder kastrierenden Weiblichen.

Diamond verweist daher indirekt auf die dringende Notwendigkeit eines breiteren kulturellen Wandels – hin zur Akzeptanz männlicher Vulnerabilität, zur Wertschätzung von Fürsorge, Emotionalität und Empathie auch bei Männern und zu einer Anerkennung und Förderung einer Pluralität geschlechtlicher Ausdrucksformen. Wenn gesellschaftliche Vorbilder existieren, die nicht ausschließlich Härte, Konkurrenz, emotionale Verschlossenheit und Antiweiblichkeit propagieren, sondern auch Fürsorglichkeit, emotionale Intelligenz und partnerschaftliches Verhalten verkörpern, verringert sich das Risiko, dass Männer in extreme Abwehrhaltungen und potenziell destruktive Formen von Maskulinität flüchten. Dies hat auch unmittelbare praktische Implikationen für Erziehung und Therapie: Jungen sollten von klein auf in Bereichen wie emotionaler Kompetenz, Körperwahrnehmung, Empathie und Fürsorge gefördert werden. Bildungseinrichtungen und therapeutische Settings sollten sichere Räume schaffen, in denen das integrative Potenzial des Jungen gestützt wird, anstatt eine rigide Anpassung an traditionelle, oft einengende und schädliche Männlichkeitsnormen zu fordern. Es geht darum, Männern zu ermöglichen, ein „bi-genderales Selbst“ zu entwickeln, das die vermeintlichen Gegensätze von „männlich“ und „weiblich“ in einer reiferen Synthese überwindet.

Es sollte hiermit gezeigt sein, dass Michael J. Diamonds zentrale Errungenschaft in der differenzierten Analyse der frühen männlichen Hilflosigkeit und deren oft lebenslangen Auswirkungen auf die männliche Psyche und Identitätsbildung liegt. Seine Theorie unterscheidet klar zwischen einer defensiven, rigiden „phallischen Männlichkeit“, die auf der Abwehr von Abhängigkeit und Verletzlichkeit beruht und dabei oft zu destruktiven interpersonellen Mustern führt, und einer integrativen, reifen „genitalen Männlichkeit“, die Durchsetzungsvermögen und Empfänglichkeit, Autonomie und Beziehungsfähigkeit auf eine gesunde Weise zu verbinden vermag. Das Bild der Achillesferse dient als eindringliche Mahnung, dass die scheinbare Allmacht des Mannes oft einen tiefen, wunden Punkt verdeckt. Wird diese innere Wunde jedoch erkannt, anerkannt und bearbeitet, kann sich das oft verkümmerte Bedürfnis nach echter Beziehung, emotionaler Hingabe und innerer Flexibilität zeigen – Qualitäten, die Diamond als notwendige Grundlage einer authentischen und lebendigen Männlichkeit ansieht. Damit liefert er nicht nur einen wichtigen theoretischen Unterbau für das Verständnis, weshalb manche Männer so heftig und oft destruktiv auf vermeintliche Kränkungen ihrer Männlichkeit reagieren und warum die Abwertung des Weiblichen als scheinbar notwendige Bewältigungsstrategie erscheint. Er zeigt zugleich eine hoffnungsvolle Perspektive auf, wie diese destruktive Dynamik durch die Anerkennung der uranfänglichen Verwundbarkeit, die Integration abgespaltener Selbstanteile und die Entwicklung einer reiferen Objektliebe transformiert werden könnte. Diamond rundet somit das Spektrum neuerer psychoanalytischer Männlichkeitsforschung ab, die jenseits altbekannter binärer Modelle und rigider Normvorstellungen eine komplexere, differenziertere und letztlich humanere Sicht auf die männliche Identität anstrebt.

Die bisherigen psychoanalytischen Betrachtungen haben die intrapsychischen und frühen interpersonellen Wurzeln männlicher Identitätsbildung beleuchtet. Doch individuelle Entwicklung und kollektive Männlichkeitsbilder bedingen sich wechselseitig. Eine Gesellschaft, die beispielsweise Fürsorgearbeit primär Frauen zuschreibt und männliche Emotionalität sanktioniert, kann bei Jungen jene Abwehrhaltungen gegen das als „weiblich“ Kodierte verstärken, die psychoanalytisch als problematisch identifiziert wurden, und somit die Basis für spätere Machtfantasien und Misogynie legen. Umgekehrt könnte ein Wandel in der gesellschaftlichen Geschlechterordnung, etwa durch die Normalisierung männlicher Beteiligung an Care-Arbeit (z.B. geteilte Elternzeit, mehr Männer in Pflegeberufen) oder durch die Förderung vielfältiger männlicher Rollenbilder, neue Identifikationsmöglichkeiten für Jungen eröffnen und den psychischen Druck der „Anti-Weiblichkeits“-Konstitution mindern. Um diese komplexen Wechselwirkungen zu verstehen, bedarf es nun eines soziologisch-geschlechtertheoretischen Blicks auf die Art und Weise, wie Männlichkeiten in gesellschaftlichen Machtstrukturen verankert, ausgehandelt und transformiert werden.

Macht, Männlichkeit, Markt: Hegemonie und die Illusion universeller Stärke vs. gelebte Vielfalt

Die psychoanalytischen Einsichten in die intrapsychischen und interpersonellen Dynamiken der männlichen Identitätsentwicklung, wie sie in den vorangegangenen Kapiteln dargelegt wurden, entfalten ihre Wirkung stets im Kontext konkreter gesellschaftlicher Verhältnisse. Individuelle psychische Prozesse sind untrennbar verwoben mit kulturellen Normen, sozialen Erwartungen und institutionellen Strukturen, die bestimmte Vorstellungen von Männlichkeit hervorbringen, stabilisieren und andere marginalisieren. Die Frage, wie spezifische Männlichkeitsideale auf kollektiver Ebene hegemonial werden, wie sie sich im sozialen Feld durchsetzen und welche Konsequenzen dies für die Geschlechterverhältnisse und die Lebenschancen von Individuen hat, lässt sich nur klären, wenn die zugrundeliegenden Macht- und Herrschaftsstrukturen berücksichtigt werden, in die Männer hineingeboren, sozialisiert und positioniert werden. In der sozialwissenschaftlichen Geschlechterforschung hat sich daher seit den 1980er-Jahren das Konzept der hegemonialen Männlichkeit, maßgeblich geprägt von Raewyn Connell (2005), als zentrales Analyseinstrument etabliert. Es lenkt den Blick darauf, welche Formen von Männlichkeit in einer Gesellschaft als kulturell dominant und erstrebenswert gelten, wie diese andere Männlichkeitsentwürfe abwerten oder unsichtbar machen und welche systemischen Vorteile – die sogenannte „patriarchale Dividende“ – sie Männern als Gruppe gegenüber Frauen und auch gegenüber anderen, nicht-hegemonialen Männern sichern. Parallel zu dieser Analyse hegemonialer Strukturen belegen jedoch zahlreiche empirische Forschungen und gesellschaftliche Entwicklungen, dass Männlichkeit keineswegs monolithisch ist, sondern auch plural und wandelbar gestaltet sein kann. Theoretiker*innen wie Karla Elliott (2016) und Eric Anderson (2009) weisen auf einen graduellen, aber signifikanten Wandel hin zu fürsorglicheren und inklusiveren Männlichkeitsmodellen hin. Gerade im Spannungsfeld dieser widersprüchlichen Tendenzen – der Verteidigung hegemonialer Positionen einerseits und dem Aufkommen pluraler Männlichkeiten andererseits – entzündet sich der oft als „Krise der Männlichkeit“ (Kimmel, 2013) beschriebene Kampf um Deutungshoheit, der insbesondere in den digitalen Sphären mit großer Vehemenz ausgetragen wird.

Hegemoniale Männlichkeit (Connell): Das unsichtbare Skript männlicher Dominanz

Ausgehend von den grundlegenden Analysen Raewyn Connells (2005) wird Männlichkeit im soziologischen Kontext nicht als eine angeborene Eigenschaft von Individuen verstanden, sondern als ein komplexes Beziehungsgeflecht und ein dynamisches soziales Konstrukt. Männlichkeit ist demnach ein kulturell und institutionell verankertes Ideal, ein Set von Praktiken, Diskursen und Erwartungen, an dem sich Männer – oft unbewusst, aber auch aktiv – ausrichten und gemessen werden. Dieses dominante Ideal, die hegemoniale Männlichkeit, trägt entscheidend dazu bei, dass Männer in der Gesamtgesellschaft systemische Vorteile und Privilegien (die von Connell als „patriarchale Dividende“ bezeichnete strukturelle Begünstigung) genießen. Es ist wichtig zu betonen, dass hegemoniale Männlichkeit nicht bedeutet, dass alle Männer diesem Ideal vollumfänglich entsprechen oder es identisch umsetzen. Vielmehr fungiert sie als kulturell vorherrschende Norm, als Maßstab, an dem andere Männlichkeitsformen gemessen und oft als defizitär, abweichend oder untergeordnet klassifiziert werden. In den meisten westlichen Gesellschaften ist dieses hegemoniale Ideal traditionell eng verknüpft mit Attributen wie Härte, emotionaler Kontrolle, Rationalität, Risikobereitschaft, physischer Stärke, heteronormativer Potenz und einer klaren Abgrenzung von allem, was als „weiblich“ kodiert wird (wie z.B. Fürsorge, Emotionalität, Sanftmut, Abhängigkeit). Durch diese Definition sichert die hegemoniale Männlichkeit nicht nur die männliche Dominanz im Verhältnis zu Frauen, sondern strukturiert auch die Hierarchien innerhalb der Gruppe der Männer, indem sie beispielsweise homosexuelle, queere, sehr fürsorgliche oder als „unmännlich“ geltende Männer marginalisiert und ihnen volle Anerkennung verwehrt (Connell, 2005).

Diese inhärente Machtdynamik und der Abwehrcharakter hegemonialer Männlichkeit werden besonders deutlich in den bereits in Kapitel I analysierten sogenannten Manosphere-Subkulturen (vgl. Kracher, 2021). Hier werden extrem frauenfeindliche, antifeministische und oft gewaltverherrlichende Narrative kultiviert. Gruppen wie Incels, selbsternannte „Alpha-Males“ oder PUAs überhöhen ein Bild des Mannes als naturgegeben überlegene, durchsetzungsfähige und emotional unberührbare Instanz, der Frauen prinzipiell unterworfen seien oder zu gehorchen hätten. Im Hintergrund dieser Ideologien steht häufig die tief sitzende Angst und Kränkung, Männer hätten ihre „natürlichen“ Privilegien und ihre gesellschaftliche Vormachtstellung durch den Feminismus, die Emanzipation der Frauen und allgemeine gesellschaftliche Modernisierungsprozesse verloren. Indem in diesen Online-Foren die „Rückeroberung“ weiblicher Unterordnung und sexueller Verfügbarkeit propagiert wird – sei es durch physische Macht, psychologische Manipulation, ökonomische Überlegenheit oder aggressive Rhetorik – reproduzieren und radikalisieren sie in überspitzter Form genau jenes hegemoniale Männlichkeitsideal, das Dominanz, Aggressivität, sexuelle Kontrolle über Frauen und emotionale Kälte als Inbegriff des „wahren Mannes“ feiert.

Gekränkte Anspruchshaltung (Kimmel): Wenn männliche Privilegien bröckeln

Eine einflussreiche soziologische Erklärung für die Wut, den Fanatismus und die oft reaktionäre Haltung solcher maskulinistischer Gruppen liefert der US-Soziologe Michael Kimmel (2013) mit seinem Konzept des „aggrieved entitlement“, was sich annähernd mit „gekränkter Anspruchshaltung“ übersetzen lässt. Kimmel argumentiert in seinen Untersuchungen, dass insbesondere viele (junge, weiße) Männer in westlichen Gesellschaften mit einer internalisierten, oft unbewussten Erwartungshaltung aufwachsen, einen quasi selbstverständlichen Anspruch auf gesellschaftlichen Erfolg, berufliche Anerkennung, Respekt und sexuelle Bestätigung durch Frauen zu haben. Dieser Anspruch speist sich aus historisch gewachsenen patriarchalen Strukturen und Privilegien. Wenn diese Männer nun in der Realität erfahren, dass ihnen dieser vermeintlich naturgegebene Anspruch – sei es durch die Konkurrenz von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, durch veränderte partnerschaftliche Erwartungen, durch das Erleben weiblicher Selbstbestimmung oder durch eine als „feminisiert“ wahrgenommene Gesellschaft – verweigert oder in Frage gestellt wird, führt dies zu einem tiefen Gefühl der Entwertung, der Kränkung und des Verrats. Aus diesem Gefühl des „aggrieved entitlement“ entspringt, so Kimmel, leicht eine massive Aggression, die sich gegen Frauen, Feministinnen, Minderheiten oder als „System“ wahrgenommene liberale Eliten richtet, denen die Schuld am eigenen Statusverlust zugeschrieben wird. Anstatt sich an veränderte gesellschaftliche Realitäten anzupassen, die eigenen Erwartungen kritisch zu reflektieren oder konstruktiv neue Lebenswege und Identitätsentwürfe zu suchen, regredieren diese Männer oft auf eine reaktionäre Verteidigung eines idealisierten männlichen Allmachtsanspruchs und einer vermeintlich „verlorenen Ordnung“ (Kimmel, 2013).

Die Dynamiken in Online-Foren und digitalen Subkulturen (vgl. Kapitel I und V) illustrieren dieses Phänomen auf paradoxe Weise: Männer, die sich als Opfer einer „gendergerechten“ oder feministischen Politik inszenieren und über den Verlust ihrer Männlichkeit klagen, beziehen sich in ihrer Argumentation doch implizit oder explizit auf ein hegemoniales Männlichkeitsideal, das ihnen vermeintlich universelle Macht, Kontrolle und Anerkennung zuschreibt. Sie trauern einem Zustand nach, in dem ihre hegemoniale Rolle unangetastet war, ohne jedoch den Widerspruch zu erkennen, dass sie damit lediglich ein patriarchales Privileg und eine überholte Dominanzstruktur reaktivieren wollen. Die digitale Kommunikation in diesen Echokammern verstärkt das Gefühl der gemeinsamen Kränkung und der gegenseitigen Bestätigung in der Opferrolle. Wenn in Incel-Communities mantrahaft wiederholt wird, dass alle Frauen „Hypergamie“ auslebten und nur sexuelle Kontakte mit privilegierten „Chads“ anstrebten, radikalisieren sich betroffene junge Männer in ihrem Glauben, vom anderen Geschlecht und von der Gesellschaft insgesamt absichtlich und ungerechtfertigt ausgeschlossen zu sein. Hier zeigt sich der Begriff des „aggrieved entitlement“ in seiner ganzen Schärfe und destruktiven Potenz: Die erlebte Kränkung und der internalisierte, aber frustrierte Anspruch auf hegemoniale Privilegien verschmelzen im Internet zu einer explosiven Mischung, die in offenem Hass, Vergewaltigungsfantasien und in einigen tragischen Fällen auch in realen Gewalttaten eskaliert (Kracher, 2021; Pohl, 2004).

Gegenentwürfe: Caring Masculinity und Inclusive Masculinity als gelebte Alternativen

Soziologisch betrachtet ist die Fixierung auf hegemoniale oder gar toxische Männlichkeitsideale jedoch nur eine Seite der Medaille. Männlichkeit ist, wie Connell (2005) selbst immer wieder betont, keineswegs monolithisch oder statisch, sondern plural, dynamisch und historisch wandelbar. Parallel zur Persistenz und teils aggressiven Verteidigung hegemonialer Ausrichtungen haben sich in westlichen Gesellschaften längst auch alternative, marginalisierte oder neu entstehende Männlichkeitsformen entwickelt und etabliert. Viele Männer definieren ihre Identität nicht primär über Dominanz, Kontrolle und Abgrenzung, sondern über Fürsorge, Kooperation, emotionale Verbundenheit und Gemeinschaftssinn – beispielsweise als engagierte Väter, als gleichberechtigte Partner, in sozialen und pflegerischen Berufen oder in solidarischen Gemeinschaften.

Karla Elliott (2016) hat für diese Entwicklung den Begriff der caring masculinity geprägt. Darunter versteht sie eine Form von Männlichkeit, die sich ausdrücklich auf Werte wie Empathie, Fürsorglichkeit, emotionale Intelligenz und Beziehungsfähigkeit stützt, ohne dass Männer dadurch ihre männliche Identität verlieren oder als „unmännlich“ gelten. Männer, die sich als fürsorglich und empathisch verstehen und dies auch aktiv leben, demonstrieren, dass das tradierte binäre Schema „Weiblichkeit = Sorge und Beziehung, Männlichkeit = Härte und Autonomie“ nicht zwingend und naturgegeben ist. In sozialen, pädagogischen und pflegerischen Berufen wächst der Anteil von Männern, die sich bewusst von klassischen Dominanzidealen distanzieren und ihre eigene Männerrolle an „weichen“, kooperativen und beziehungsorientierten Tugenden festmachen (Elliott, 2016).

Ähnliche Beobachtungen macht Eric Anderson (2009) mit seinem Konzept der inclusive masculinity. Er stellt fest, dass insbesondere in Teilen jüngerer Generationen und in bestimmten (oft urbanen und bildungsorientierten) Jugendkulturen ein signifikanter Rückgang an Homophobie, Sexismus und rigiden Macho-Gebärden zu beobachten ist. Dies erleichtert es jungen Männern, Gefühle offener zu zeigen, nicht-sexuelle körperliche Nähe zu männlichen Freunden zuzulassen (etwa im Sport oder in freundschaftlichen Umarmungen) und enge, vertrauensvolle Freundschaften zu pflegen, ohne ständig um ihre „heterosexuelle Männlichkeit“ oder ihren Status in der männlichen Hierarchie bangen zu müssen. Diese Entwicklungen deuten auf eine fortschreitende Pluralisierung der Männlichkeiten hin, in denen das hegemoniale Modell zwar weiterhin wirkmächtig ist, aber längst nicht mehr unangefochten und alternativlos im Mittelpunkt stehen müsste.

Allerdings stehen diesen ermutigenden und progressiven Befunden die lautstarken und teils gewaltbereiten Gegenbewegungen in Online-Subkulturen wie der Manosphere gegenüber. Es entsteht ein sichtbares und oft schmerzhaftes Spannungsfeld: Während gewisse gesellschaftliche Milieus und immer mehr Individuen die tradierten patriarchalen Dominanzmuster aktiv aufbrechen, Care-Arbeit als männliche Aufgabe begreifen und emotionale Offenheit für Männer legitimieren, übersteigern andere Gruppen ihren Hass auf vermeintlich „schwache“, „verweichlichte“ oder „feminisierte“ Männer und identifizieren sich umso stärker und rigider mit einem idealisierten, oft als „archaisch-ursprünglich“ verklärten Mannsein, das auf Stärke, Aggression und der Unterordnung von Frauen basiert.

Polarisierung und Deutungskämpfe: Die Krise als Chance?

Diese zunehmende Polarisierung kann als ein tiefgreifender gesellschaftlicher Aushandlungsprozess, als ein Kampf um die Deutungshoheit über Geschlechterrollen und männliche Identität verstanden werden. Die in Kapitel I analysierten Gruppen wie Incels, PUAs oder Alpha-Männlichkeits-Gurus stehen für den verzweifelten Versuch, einen traditionellen, hegemonialen Status männlicher Vorherrschaft zu retten oder wiederherzustellen, der durch gesellschaftlichen Wandel und emanzipatorische Bewegungen bedroht scheint. Sie radikalisieren und verabsolutieren jene Elemente, die in der hegemonialen Männlichkeitskultur ohnehin implizit angelegt sind: Männer müssten sich Frauen gegenüber durchsetzen, Härte demonstrieren, emotionale Kontrolle wahren und sämtliche als „weiblich“ geltenden Attribute konsequent abspalten, abwerten oder bekämpfen. Damit verschaffen sie sich zwar innerhalb ihrer oft geschlossenen Online-Communities ein hohes Maß an Bestätigung und „Männerbündigkeit“, entkoppeln sich aber zunehmend von den Realitäten einer pluralen und sich wandelnden Gesellschaft.

Wer die hier wirkenden Konfliktlinien und die Vehemenz der Auseinandersetzungen verstehen will, muss die komplexen und oft widersprüchlichen Prozesse auf verschiedenen Ebenen im Blick behalten: Auf der individuellen Ebene wirken, wie in den psychoanalytischen Kapiteln dargelegt, oft tiefe narzisstische Kränkungen, Ängste vor Abhängigkeit und Kontrollverlust sowie unbewältigte frühe Konflikte (Pohl, 2004). Männer, die ihren in der Kindheit internalisierten, oft grandiosen Anspruch auf männliche Oberhoheit und omnipotente Kontrolle durch die Realität frustriert sehen, reagieren mit Wut, Hass und der Projektion eigener Unzulänglichkeitsgefühle auf externe Sündenböcke, um ihren verletzten Selbstwert zu stabilisieren (Kimmel, 2013). Auf kollektiver Ebene steht das historisch gewachsene Patriarchat als gesellschaftliche Struktur unter Druck. Emanzipatorische Bewegungen, veränderte ökonomische Bedingungen und ein gewandeltes Geschlechterbewusstsein erschüttern tradierte Machtverhältnisse, woraufhin sich deren Verfechter und Profiteure verbünden, um alte Vorrechte und eine vermeintlich „natürliche Ordnung“ zu verteidigen. Die digitale Sphäre fungiert dabei als neuer, globaler Schauplatz, auf dem hegemoniale Ideale teils in extremis und performativ zelebriert werden. Gleichzeitig finden aber auch alternative Männlichkeitskulturen, feministische Allianzen und progressive Männerbewegungen (etwa Väternetzwerke, Profeministen, Pro-LGBTQ+-Männergruppen) hier einen Resonanzboden und Möglichkeiten der Vernetzung und Artikulation.

Abschließende Gedanken zur Männlichkeit im Spannungsfeld von Beharrung und Wandel

Aus soziologischer Sicht lässt sich damit festhalten, dass Männlichkeit in modernen Gesellschaften stets ein dynamisches Feld von Aushandlungsprozessen, Machtdynamiken und kulturellen Kämpfen ist. Hegemoniale Männlichkeitsnormen, obwohl sie sich im Wandel befinden, bieten bestimmten Männergruppen weiterhin Privilegien und Machtpositionen, schließen jedoch andere Männer aus oder werten sie ab und tragen maßgeblich zur fortgesetzten strukturellen Benachteiligung und Marginalisierung von Frauen und anderen nicht-männlichen Geschlechtern bei. Dennoch zeigen neuere empirische Forschungen und gesellschaftliche Trends, dass ein Wandel hin zu pluraleren, fürsorglicheren, gleichberechtigteren und integrativeren Männerbildern möglich ist und bereits stattfindet. Dieser Wandel könnte langfristig die alten Dominanzstrukturen untergraben und zu einer gerechteren und humaneren Gesellschaft beitragen.

Allerdings ist eine wachsende und oft aggressive Gegenwehr in Form reaktionärer Maskulinismen zu beobachten, die insbesondere online eine hohe Sichtbarkeit und Mobilisierungskraft entfaltet. Diese Gegenwehr lässt sich, wie die psychoanalytischen Kapitel nahelegen, auch durch das Moment der tiefen Angst vor dem Verlust des Phallus, der symbolischen männlichen Potenz, bzw. vor dem Verschwinden realer männlicher Privilegien und der damit verbundenen narzisstischen Kränkung erhellen. Auch Kimmels (2013) Beobachtungen zur „gekränkten Anspruchshaltung“ und Pohls (2004) Analysen zur männlichen Abwehr des Weiblichen verdeutlichen, warum sich diese Abwehrfront gerade in Zeiten tiefgreifender sozialer Umbrüche und Verunsicherungen so vehement, oft irrational und bisweilen gewaltbereit formiert.

Dieser Konflikt um Männlichkeitsdefinitionen und die damit verbundenen Machtansprüche wird die gesellschaftlichen Diskurse absehbar weiterhin prägen und möglicherweise an Schärfe gewinnen, nicht zuletzt weil sich in den digitalen Medien ein potenter Resonanzboden für extremistische und polarisierende Positionen findet. Die „patriarchale Dividende“ ist nicht verschwunden, aber sie steht zunehmend unter Rechtfertigungsdruck und wird von immer mehr Menschen kritisch hinterfragt. Der Aufstieg reaktionärer Männerbünde im Netz ist ein deutliches Zeichen dafür, dass viele Männer ihre traditionelle hegemoniale Position als bedroht empfinden und mit aller Macht gegensteuern wollen. Gleichzeitig entwickeln aber auch immer mehr Männer ein Bewusstsein dafür, dass die rigide Einhaltung tradierter Männlichkeitsnormen – Härte, emotionale Kontrolle, Abwertung von Frauen und die Verleugnung eigener „weicher“ Seiten – nicht nur Frauen und anderen schadet, sondern auch sie selbst in eine psychische und soziale Engführung ihrer Identität und Lebensmöglichkeiten zwingt. Zwischen diesen beiden Polen – der reaktionären Verteidigung hegemonialer Dominanz und der progressiven Entdeckung eines fürsorglichen, inklusiven und partnerschaftlichen Mannseins – verlaufen die entscheidenden gesellschaftlichen und individuellen Bruchlinien der Gegenwart. Die Analyse dieser digitalen Dynamiken und ihrer Verknüpfung mit breiteren extremistischen Strömungen wird Gegenstand des folgenden Kapitels sein

Hass als Meme: Digitale Radikalisierungspfade und die Allianz von Misogynie und Rechtsextremismus

Die in den vorangegangenen Kapiteln analysierten psychodynamischen und soziokulturellen Faktoren männlicher Identitätsbildung finden im 21. Jahrhundert einen potenten Resonanzraum und Katalysator im digitalen Raum. Die explosionsartige Verbreitung frauenfeindlicher und allgemein misogyner Männlichkeitskonzepte, wie sie in Kapitel I exemplarisch dargestellt wurden, ist ohne die spezifischen Mechanismen des Internets kaum vorstellbar. Digitale Plattformen haben eine eigene Dynamik der Vernetzung, der wechselseitigen Bestätigung und der beschleunigten Radikalisierung geschaffen, in der selbst extremste Positionen eine Anhängerschaft finden und sich weiter zuspitzen können. Dieses Kapitel untersucht die Rolle von Online-Radikalisierung, die spezifische Funktion von Memes in der Verbreitung extremistischer Ideologien und die oft übersehene, aber brandgefährliche ideologische Nähe zwischen frauenfeindlichen Männerbünden und dem organisierten Rechtsextremismus.

Der Sog des Kaninchenbaus: Mechanismen der Online-Radikalisierung in der Manosphere

Insbesondere jene digitalen Räume, die sich dem Einfluss etablierter Medien und moderierender Instanzen weitgehend entziehen – wie anonyme Imageboards (z.B. 4chan), bestimmte Subforen auf Plattformen wie Reddit, aber auch geschlossene private Discord-Kanäle und Telegram-Gruppen – bilden eine Art Echokammer. In diesen virtuellen Schutzräumen können sich frustrierte, verunsicherte oder gekränkte Männer (vgl. Kimmels „aggrieved entitlement“, Kapitel IV) gegenseitig in ihren negativen Weltbildern bestärken, ihre Feindbilder kultivieren und sich sukzessive radikalisieren (Kracher, 2021). Die algorithmischen Empfehlungssysteme großer sozialer Netzwerke (z.B. YouTube, TikTok) wirken dabei oft wie Brandbeschleuniger: Wer einmal Inhalte aus dem Spektrum der Manosphere konsumiert – sei es zu den Themen „Alpha-Männlichkeit“, Flirttipps von PUAs oder Klagen über den Feminismus –, bekommt mit hoher Wahrscheinlichkeit immer härtere, extremere und ideologisch geschlossene Videos oder Beiträge vorgeschlagen. Dieser als „Rabbit-Hole-Effekt“ bezeichnete Mechanismus kann dazu führen, dass Individuen über scheinbar harmlos anmutende Einstiegsangebote – etwa Fitness-Coaching, Finanztipps oder oberflächliche Dating-Ratschläge – immer tiefer in Verschwörungsmythen, unverhohlene Hetze gegen Frauen, antisemitische Narrative oder neonazistische Propaganda abdriften und sich in einer regelrechten „Parallelöffentlichkeit“ wiederfinden, die von der breiteren Gesellschaft weitgehend abgeschottet ist (vgl. Kracher, 2021; Nagle, 2017).

Das virale Gift: Memes als Waffen im Kulturkampf der Geschlechter und darüber hinaus

Einen besonderen Stellenwert in dieser digitalen Radikalisierungsdynamik nehmen Memes ein. Memes sind in sich hochverdichtete, oft ironisch gebrochene Bild-Text-Kombinationen, die sich aufgrund ihrer leichten Produzierbarkeit, Modifizierbarkeit und Teilbarkeit viral im Internet verbreiten. Sie fungieren als eine Art subkulturelle Kurzschrift, die in kürzester Zeit komplexe ideologische Botschaften, Feindbilder und Zugehörigkeitsgefühle vermitteln kann. Klassische Beispiele aus den Incel- und „Alpha Male“-Foren, wie das „Virgin vs. Chad“-Meme (der unsichere, unattraktive „Virgin“ versus der überlegene, potente „Chad“) oder die ständige Referenz auf die „Red Pill“ (ein aus der Filmreihe The Matrix entlehntes Symbol für das angebliche „Erkennen der wahren Realität“ männlicher Unterdrückung und weiblicher Natur), illustrieren die Wirkmacht dieser Kommunikationsform (Nagle, 2017). Im Kontext des misogynen Online-Milieus bedeutet „die rote Pille schlucken“ zumeist, die vermeintliche Wahrheit erkannt zu haben, dass Frauen biologisch nur auf bestimmte (dominante und attraktive) Männertypen programmiert seien und dass Feminismus, Gleichstellungspolitik oder „politische Korrektheit“ lediglich eine ideologische Verschleierung dieser angeblich naturwüchsigen Geschlechterhierarchie darstellten. Die noch radikalere „Black Pill“ verkündet die endzeitliche Vision, dass für „unterlegene“ Männer jede Hoffnung auf ein erfülltes Sexual- und Beziehungsleben prinzipiell vergeblich sei und nur noch Zynismus oder Rache blieben.

Der enorme Einfluss dieser Meme-Kultur erklärt sich aus mehreren Faktoren. Erstens ermöglichen Memes durch ihre virale Verbreitung eine schnelle und breite ideologische Indoktrination, insbesondere junger, medienaffiner Nutzer. Zweitens tarnen sie radikale, hasserfüllte und menschenverachtende Inhalte oft in vermeintlich humorvollen, satirischen oder ironischen Bildern und Sprüchen. Dadurch verschwimmen die Grenzen zwischen „Spaß“, Provokation und ernstgemeinter Hetze. Wer auf den hasserfüllten Kern eines Memes hinweist, läuft Gefahr, als humorlos, überempfindlich oder als Teil des „establishments“ abgetan zu werden. Die oft zur Schau gestellte ironische Distanzierung („It’s just a joke“, „Don’t take it seriously“) dient dabei häufig als Schutzstrategie, um Kritik abzuwehren und gleichzeitig die eigene Radikalität zu verschleiern (vgl. Nagle, 2017; Kracher, 2021). Dieses Prinzip der „ironischen Ambivalenz“ erleichtert die Normalisierung und Akzeptanz extremismusnaher Einstellungen, da sie im lockeren, spielerischen Gewand einer subversiven Online-Satire daherkommen. Auf diese Weise können selbst Vergewaltigungsfantasien, Morddrohungen gegen Frauen oder rassistische Stereotype in Meme-Form verbreitet und konsumiert werden, ohne dass die Urheber oder Verbreiter sich immer ihrer direkten Aggression und deren potenziellen Konsequenzen stellen müssten (Kracher, 2021). Memes schaffen so eine subkulturelle Codesprache, die Insider verbindet und Außenstehende ausschließt, und tragen zur Verfestigung von Ingroup-Identitäten und Feindbildern bei.

Brüder im Geiste: Die unheilige Allianz von Frauenhass und Rechtsextremismus

Innerhalb dieser digitalen Subkulturen, die misogyne Männlichkeitsideale propagieren, existiert zudem eine signifikante und wachsende ideologische Nähe zum organisierten Rechtsextremismus, die sich in vielfältigen personellen, thematischen und rhetorischen Überschneidungen manifestiert. Zwar sind Frauenhass (Misogynie) und Rassismus (oder Antisemitismus) nicht per se identische Ideologien, doch teilen sie eine grundlegende Weltsicht, die auf Hierarchie, Ungleichwertigkeit, Dominanz und der Konstruktion von Feindbildern beruht. Rechte und rechtsextreme Gruppen adaptieren und instrumentalisieren zunehmend jene Narrative, die in der Manosphere zirkulieren: Der „weiße Mann“ werde systematisch „entmannt“ und seiner natürlichen Vorherrschaft beraubt – der Feminismus habe ihn domestiziert und verweichlicht, Migranten und Minderheiten würden seinen ökonomischen und sozialen Status sowie seine kulturelle Identität bedrohen, und liberale, kosmopolitische Eliten förderten diesen Prozess des „großen Austauschs“ (Replacement-Theorie) mutwillig.

Aus dieser Perspektive erscheinen reaktionäre Männerbünde, Incel-Gruppierungen oder Pick-Up-Artist-Kreise als natürliche Verbündete im Kampf gegen eine als dekadent und feindlich wahrgenommene moderne Gesellschaft. Antifeminismus und Misogynie fungieren hierbei gleichsam als ein politischer Kitt oder als Einstiegsdroge, die Rassismus, Antisemitismus, Verschwörungsglauben und völkischen Nationalismus zu einem umfassenden, reaktionären Abwehrkampf gegen den gesellschaftlichen Wandel und emanzipatorische Bestrebungen verbinden (vgl. Speit, 2020). Selbst im deutschsprachigen Raum ist deutlich festzustellen, dass rechtsextreme Narrative von einer angeblichen „Fremdbesiedlung“ oder „Umvolkung“ den Schulterschluss mit dem Argument der „Feminisierung“ des Abendlandes suchen: Frauen, so das rechte Feindbild, seien nicht mehr bereit, den „natürlichen“ Geschlechterrollen als Mütter und Hüterinnen der „Rasse“ zu folgen, und der Feminismus trage aktiv zur Geburtenknappheit der „weißen Rasse“ und zur Destabilisierung der traditionellen Familie bei.

Die Attentäter von Halle (2019) und Hanau (2020) in Deutschland oder von Christchurch (2019) in Neuseeland sind tragische Beispiele dafür, wie tödlich die Verbindung von tief sitzendem Frauenhass, rassistischen Verschwörungsmythen und rechtsextremer Ideologie werden kann. In den Manifesten und Live-Statements solcher Täter verquickt sich die Idee, Frauen seien schuld am Geburtenrückgang bzw. an der „Verweichlichung“ des Mannes und der Nation, oft nahtlos mit gewalttätigem Antisemitismus, Islamophobie und allgemeiner Fremdenfeindlichkeit (Speit, 2020). In manchen Incel-, 4chan- oder rechtsextremen Online-Communities werden solche Täter dann als Helden, Märtyrer oder Vollstrecker eines vermeintlich gerechten Zorns stilisiert, was wiederum neue Nachahmer anziehen und zu einer gefährlichen Spirale der Gewalteskalation beitragen kann. Gewalt gegen Frauen oder vermeintliche „fremde“ Gruppen wird hier rationalisiert und legitimiert als notwendiger Akt der Wiederherstellung einer verlorenen, imaginierten Ordnung, in der der (meist weiße, heterosexuelle) Mann erneut souverän und unangefochten herrschen soll.

Psychologische und soziopolitische Dimensionen der digitalen Radikalisierung

Für eine umfassende Analyse dieser Radikalisierungsprozesse ist es entscheidend, sowohl die bereits diskutierten psychologischen Aspekte (etwa die narzisstische Kränkung, die Abwehr von Abhängigkeitsgefühlen, die Kompensation von Ohnmachtserfahrungen, vgl. Kapitel II und III) als auch den spezifischen soziopolitischen Kontext und die Funktionsweise digitaler Medien zu berücksichtigen. Das Internet bietet einerseits Individuen mit hohem Frustrations-, Aggressions- und Kränkungspotenzial ein Forum, in dem sie Gleichgesinnte finden, Bestätigung erfahren und Anerkennung für ihre radikalen Ansichten erhalten, anstatt auf kritische Korrektive oder soziale Sanktionen zu stoßen. Andererseits nutzen rechtsextreme und maskulinistische Akteure gezielt digitale Plattformen, soziale Medien und geschlossene Gruppenchats, um verunsicherte, wütende oder orientierungslose junge Männer zu rekrutieren, zu indoktrinieren und für ihre politischen Ziele zu mobilisieren. Die auf YouTube, TikTok und anderen Plattformen oft sehr erfolgreichen „Alpha-Male“-Influencer – häufig mit einem betont antiliberalen, antifeministischen und verschwörungstheoretischen Impetus – repräsentieren hier einen gefährlichen Übergangsbereich, in dem das populäre Narrativ der „starken Männlichkeit“ direkt in Hassideologien, antidemokratische Positionen und die Bereitschaft zur Gewalt münden kann (vgl. Kimmel, 2013; Kracher, 2021).

Die spezifische digitale Meme-Ökonomie trägt dabei wesentlich zu einer scheinbar spielerischen, niedrigschwelligen und oft ironisch getarnten Verbreitung extremistischer Inhalte bei. Indem Memes ständig neu kontextualisiert, mit aktuellen Ereignissen verknüpft und mit anderen Meme-Formaten gemischt werden, entsteht eine komplexe subkulturelle Codesprache. Diese dient der Abgrenzung von der als feindlich oder ignorant wahrgenommenen „normalen“ Gesellschaft und stärkt das Ingroup-Gefühl. Kritik von außen wird oft als Beleg für die eigene elitäre Erkenntnis und Überlegenheit gedeutet („We’re just joking, you don’t get it!“). Die gegenseitige Bestätigung innerhalb der Online-Community steigert sich spiralförmig und radikalisiert die Gemeinschaft immer weiter. Hasserfüllte Konzepte – ob gegen Frauen, Jüdinnen und Juden, Muslime, Schwarze Menschen, LGBTQ+-Personen oder andere als „Feinde“ definierte Gruppen – lassen sich so häppchenweise, oft unter dem Deckmantel von schwarzem Humor oder Satire, in virale Mini-Botschaften verpacken und rasch millionenfach reproduzieren und normalisieren (Nagle, 2017; Kracher, 2021).

All dies unterstreicht, dass Frauenfeindlichkeit und misogyne Männlichkeitsideale im Netz nicht als isolierte Phänomene betrachtet werden sollten. Sie sind vielmehr integraler Bestandteil einer größeren autoritären, illiberalen und oft rechtsextremen Gegenkultur, die in den digitalen Medien ihre idealen Resonanzräume und Mobilisierungsinstrumente gefunden hat. Verschwörungstheoretische Elemente wie der Mythos vom „Großen Austausch“ (Replacement) oder das Schreckbild einer staatlich organisierten „Umerziehung“ der Jungen zum „Genderwahn“ passen nahtlos zum erlebten Verlust hegemonialer Männlichkeitsprivilegien und zur Dämonisierung emanzipatorischer Bewegungen. Einige Politikwissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang bereits von einer „Gamification“ des Extremismus, bei der Symbole, Witze, Memes und spielerische Elemente genutzt werden, um das politische Klima immer weiter anzuheizen und zur Gewalt zu enthemmen.

Aus psychoanalytischer Perspektive bestätigt die digitale Netzradikalisierung das in den vorangegangenen Kapiteln skizzierte Dilemma der männlichen Geschlechtsidentität, das sich um unbewusste Ängste, narzisstische Vulnerabilität und rigide Abwehrmechanismen dreht. Wer sich in einer tiefen Kränkung seines männlichen Selbstwertgefühls wähnt, weil das Patriarchat erodiert und traditionelle Privilegien in Frage gestellt werden, greift oft auf den in Memes verpackten, gemeinschaftlich validierten Hass zurück, um die eigene fragile Identität zu stabilisieren und ein Gefühl von Macht und Zugehörigkeit wiederzuerlangen. Aus soziologischer Sicht ergänzt sich dies mit dem fortwirkenden hegemonialen Druck, „ein richtiger Mann“ im Sinne traditioneller Dominanzvorstellungen zu sein, was in der digitalen Sphäre performativ zur Schau gestellt und verteidigt wird. Dass sich dabei auch gezielt rechtsextreme Akteur*innen einklinken und die Frustrationen und Aggressionen dieser Männer für ihre rassistischen, antisemitischen und antidemokratischen Ziele instrumentalisieren, stellt eine bedrohliche gesellschaftliche Entwicklung dar (Speit, 2020). Letztlich kulminiert die Analyse dieser Verflechtungen in der Erkenntnis, dass toxische Männlichkeitsbilder und Rechtsextremismus strukturelle Brüder im Geiste sind: Beide basieren auf rigiden Hierarchien, der Konstruktion von Feindbildern, der Verachtung von Schwäche und Vielfalt sowie dem fundamentalistischen Wunsch, eine vermeintlich „natürliche“, gottgegebene oder biologisch determinierte Ordnung wiederherzustellen, in der der „starke Mann“ ohne Widerspruch und Zweifel herrscht. Die Herausforderung, die sich aus diesen Entwicklungen für ein zeitgemäßes Verständnis von Geschlecht und Identität ergibt, wird im folgenden Kapitel durch die Auseinandersetzung mit trans*- und nicht-binären Perspektiven weiter vertieft.

Gender jenseits der Norm: Trans- und nicht-binäre Identitäten als Prüfstein für die Psychoanalyse*

Die zunehmende gesellschaftliche Sichtbarkeit und Anerkennung von trans* und nicht-binären Identitäten stellt das traditionell binäre und oft an biologischen Gegebenheiten orientierte Geschlechterverständnis, wie es in der klassischen Psychoanalyse lange Zeit vorherrschte, grundlegend in Frage. In der älteren psychoanalytischen Tradition wurde die Anatomie (Penis versus kein Penis) häufig mit einer quasi naturgegebenen und zwingenden psychischen Entwicklungslinie gleichgesetzt. Abweichungen von diesem als „normal“ definierten Pfad – etwa die Identifikation eines biologisch als männlich gelesenen Kindes als Mädchen oder umgekehrt, oder die Ablehnung einer eindeutigen binären Zuordnung – galten oft als pathologische Störungen, die aus unbewussten Konflikten (z.B. einem unbewältigten Ödipuskomplex, einem übersteigerten Penisneid, einer gestörten primären Identifizierung oder traumatischen Erfahrungen) resultieren würden und einer korrigierenden Behandlung bedürften. In den letzten Jahrzehnten zeigt sich jedoch, nicht zuletzt unter dem Einfluss der Queer Theory, der Gender Studies und der Selbstvertretung von trans* und nicht-binären Personen, ein signifikanter Paradigmenwechsel auch innerhalb der Psychoanalyse: Trans* und nicht-binäre Menschen werden in vielen neueren psychoanalytischen Ansätzen nicht mehr primär als Träger*innen von Defekten oder als Ausnahmen von der Regel betrachtet, sondern als lebendiger Beleg dafür, dass Geschlechtsidentität prinzipiell komplexer, fluider, subjektiver und vielfältiger ausgeprägt sein kann, als es die traditionellen binären Modelle zuließen (vgl. Gherovici, 2017; Corbett, 2009; Diamond, 2021). Dieses Kapitel untersucht, wie die Psychoanalyse auf diese Herausforderung reagiert und wie die Integration trans*- und nicht-binärer Perspektiven das Verständnis von Männlichkeit und Geschlecht insgesamt erweitern kann.

Kreative Selbstfindung (Gherovici): Transidentität als Lacan’sches Sinthom

Die Lacan-Schülerin Patricia Gherovici (2017) hat in ihren Arbeiten den psychoanalytischen Blick auf Transidentitäten wesentlich erweitert und de-pathologisiert. Aufbauend auf Lacans spätem Konzept des Sinthoms – einem einzigartigen, subjektiven Knotenpunkt persönlicher Symbolisierungen, Bedeutungsstiftungen und kreativer Konfliktlösungen, der dem Subjekt ermöglicht, mit dem Realen des eigenen Seins und den Brüchen in der symbolischen Ordnung umzugehen – deutet Gherovici die Transition oder die geschlechtliche Selbstbestimmung als eine solche „kreative Lösung“. Diese erlaube es dem Individuum, ein oft tiefes existenzielles Leid, das aus der Diskrepanz zwischen zugewiesenem Geschlecht, körperlichem Erleben und subjektiver Identität resultiert, zu lindern und einen stimmigeren, lebenswerteren Bezug zum eigenen Körper und zur eigenen Subjektivität zu finden. Anders als in der klassischen Pathologisierung, wo Transsein oft als Symptom einer tieferliegenden Verdrängung, einer ungelösten Identifizierung oder einer Abwehr verstanden wurde, schlägt Gherovici vor, trans* Menschen als Protagonist*innen ihrer eigenen Identitätsfindung und ihres eigenen Begehrens zu sehen. In vielen Fällen, so ihre These, fungiert die Transition (sei sie nun sozial, medizinisch oder beides) wie ein Sinthom, das den oft schmerzhaften Knoten zwischen Körper, Begehren, Namen und subjektiver Wahrheit auf eine neue, für das Subjekt gangbarere Weise organisiert und stabilisiert.

In dieser Lacan’schen Lesart wird deutlich, dass weder die biologische Anatomie noch die soziale Zuschreibung allein und deterministisch darüber entscheiden, wie sich ein Subjekt zum Phallus (als dem zentralen Signifikanten der Geschlechterdifferenz in der symbolischen Ordnung) und zur gesellschaftlichen Geschlechterordnung verhält. Lacans Idee, wonach das Geschlecht – ob „männlich“ oder „weiblich“ – letztlich eine Position zum Signifikanten des Phallus ausdrückt und von Sprache, Symbolik und dem Begehren des Anderen geprägt ist, erhält im Falle von trans* Identitäten eine neue, herausfordernde Konkretisierung: Die Person wählt (oft unbewusst, aber auch zunehmend bewusst und selbstbestimmt) eine für sie passender und stimmiger erscheinende Position in der Geschlechterordnung, was sich in körperlichen Modifikationen, sozialen Rollen, sprachlichen Selbstbezeichnungen und affektiven Besetzungen niederschlagen kann (Gherovici, 2017).

Erfundene Geschlechter (Corbett): Gender Creativity jenseits der Pathologisierung

Ken Corbett (2009), ein weiterer wichtiger Vertreter eines neueren psychoanalytischen Denkens über Geschlecht, spricht in seinem Werk Boyhoods: Rethinking Masculinities von gender creativity. Darunter versteht er die Fähigkeit und oft auch die Notwendigkeit von Kindern (und später Erwachsenen), immer wieder aktiv eigene Geschlechtspositionen zu „erfinden“, auszuhandeln, zu erproben und zu gestalten, anstatt sie passiv von der Biologie oder starren sozialen Normen vorgegeben zu bekommen. Gerade bei Kindern, die sich nicht oder nicht eindeutig mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren (oft als „gender non-conforming“ oder „gender creative“ bezeichnet), beobachtet Corbett eine oft spielerische, explorative und natürliche Neugier, die das rigide Junge/Mädchen-Schema unterläuft. Kinder erproben mitunter verschiedene geschlechtliche Inszenierungen, Rollen, Kleidung und Namen, um herauszufinden, was sich für sie stimmiger, authentischer und lebendiger anfühlt.

Die ältere psychoanalytische Tradition hätte diese Vielfalt und Fluidität kindlichen Geschlechtsausdrucks oft vorschnell als Zeichen einer „psychischen Störung“, einer „Identitätsverwirrung“ oder als Gefahr für eine „adäquate“ und „normale“ Identitätsbildung interpretiert und nicht selten therapeutische Interventionen zur „Korrektur“ empfohlen. Corbett (2009) hingegen plädiert eindringlich für klinische Zurückhaltung, für Vorsicht vor Pathologisierung und für eine Haltung des Respekts und der Neugier gegenüber der subjektiven Erfahrung des Kindes. Er betont, dass solche Kinder (und die Erwachsenen, die sie werden) keineswegs notwendigerweise traumatisiert oder gestört sind, sondern häufig eine sehr gesunde, resiliente und eigenständige Art der Ich-Findung und der Konfliktbewältigung demonstrieren. Damit rücken frühe psychoanalytische Vorstellungen, wonach die psychische Geschlechtsidentität quasi unausweichlich und linear an die anatomische Geschlechterrolle gekoppelt sei und jede Abweichung davon als pathologisch zu werten sei, in ein zunehmend fragwürdiges Licht.

Das fluide Selbst (Diamond): Integration und die Grenzen der binären Logik

Michael J. Diamond (2021), dessen Konzept des bi-genderalen Selbst bereits in Kapitel 3.3 ausführlich dargestellt wurde, liefert auch wichtige Beiträge zum Verständnis von Transidentität. Sein Modell, das ursprünglich auf die Entwicklung von cis-Männern gemünzt war und davon ausgeht, dass jeder Mensch potenziell „weibliche“ und „männliche“ psychische Elemente integrieren muss, um zu einer reifen Identität zu gelangen, lässt sich im Umgang mit trans* Erfahrungen noch erweitern und differenzieren. Trans* Personen, die eine tiefgreifende und oft schmerzhafte Diskrepanz zwischen ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht und ihrem subjektiven Erleben und ihrer inneren Wahrheit verspüren, machen besonders offensichtlich, wie sehr Geschlechtsidentität ein komplexer, dynamischer und innerer Gestaltungsprozess ist, der nicht einfach aus der Biologie oder der sozialen Erwartung abgeleitet werden kann. Wenn Diamond betont, dass cis-Männer sich psychisch entwickeln können, indem sie ihre oft verleugneten „femininen“ Anteile aktiv in ihr Selbst integrieren, so zeigt eine trans* Mann-Perspektive (also eine Person, die anatomisch als weiblich geboren wurde, sich aber als Mann erfährt und lebt) noch deutlicher, dass das „Weibliche“ und das „Männliche“ keine festen, biologisch determinierten Essenzen sind, sondern fluide psychische und soziale Kategorien, die nicht exklusiv oder zwingend mit bestimmten biologischen Merkmalen verschränkt sein müssen.

Diamond (2021) beschreibt eindrücklich, wie bedeutsam es für die psychoanalytische Praxis ist, dass Therapeut*innen keine normative Repressions- oder Korrekturagenda mehr verfolgen, sondern vielmehr die spezifische psychische Wahrheit und das subjektive Erleben der Klient*innen anerkennen und validieren. In vielen Fällen, so seine klinische Erfahrung, kann die soziale und/oder medizinische Transition oder ein Leben jenseits der binären Kategorien von männlich/weiblich (z.B. als nicht-binäre Person) die bestmögliche und gesündeste Möglichkeit für das Individuum sein, innere Konflikte zu beruhigen, ein stimmiges und kohärentes Selbstgefühl zu erreichen und ein lebenswertes Leben zu führen.

Freuds Erbe neu gelesen: Bisexualitätsthese und die Revision des Ödipus-Modells

Interessanterweise lässt sich dieser Paradigmenwechsel in der Psychoanalyse, der zu einer offeneren und differenzierteren Haltung gegenüber Geschlechtervielfalt führt, in gewisser Weise auf Freuds eigene, oft ambivalent formulierte Bemerkungen zur „angeborenen Bisexualität“ des Menschen zurückführen (Freud, 1905/1991). Freud postulierte, dass im psychischen Apparat jedes Menschen rudimentär auch die Merkmale und Dispositionen des „anderen“ Geschlechts angelegt seien, auch wenn im normalen Reifungsverlauf üblicherweise eine eindeutige heterosexuelle und binärgeschlechtliche Positionierung entstehe. Aus damaliger Sicht blieb dies oft eine eher theoretische Fußnote, die er im Kontext seiner stärker normativen späteren Schriften nicht konsequent weiter ausarbeitete. Doch aus heutiger Perspektive, im Lichte der Erkenntnisse der Queer Theory und der gelebten Erfahrungen von trans* und nicht-binären Menschen, kann man in dieser frühen Freud’schen Intuition eine Tür öffnen, um Geschlecht und Sexualität grundsätzlich weniger dichotom, weniger rigide und vielfältiger zu denken.

Die zeitgenössische Psychoanalyse hat die Chance und zunehmend auch die Notwendigkeit erkannt, diese Idee der grundlegenden psychischen Fluidität weiterzuentwickeln und beispielsweise den Ödipus-Komplex von seiner oft zu starren Koppelung an die Penis/Kastrationssymbolik und an heteronormative Entwicklungspfade zu befreien. Statt zu behaupten, beim Jungen müsse zwangsläufig die Angst vor der Kastration durch den Vater alle weiteren Entwicklungsschritte und Identifizierungen dominieren, kann man den Kern des ödipalen Prozesses geschlechtsneutraler und struktureller interpretieren: als einen notwendigen Triangulationsschritt des Kindes in Bezug zu zwei (oder mehr) bedeutsamen anderen Subjekten, der die primäre Dyade aufbricht und den Eintritt in die symbolische Ordnung ermöglicht – unabhängig von der spezifischen anatomischen oder sozialen Geschlechterrolle dieser Bezugspersonen. Eine solche Lesart würde weniger rigide festlegen, wie sich das Kind schließlich identifiziert, und müsste nicht jeden davon abweichenden Weg vorschnell als pathologisch, defizitär oder als Ausdruck eines ungelösten Konflikts abtun.

Von der Korrektur zur Begleitung: Wandel in der klinisch-psychoanalytischen Praxis

Dieser theoretische Wandel spiegelt sich auch zunehmend auf der Ebene der klinischen Praxis wider: Viele psychoanalytische Behandlungen von trans* und nicht-binären Personen zielen heutzutage nicht mehr auf eine „Umpolung“, „Heilung“ oder „Korrektur“ ihrer Geschlechtsidentität, sondern auf eine verstehende, begleitende und unterstützende Haltung in einem oft herausfordernden und komplexen Prozess der Selbstwerdung und Identitätsfindung. Die Frage, ob eine soziale oder medizinische Transition (z.B. hormonelle Maßnahmen, geschlechtsangleichende Operationen) für eine Person der richtige Weg ist, ist nicht länger eine Frage des psychoanalytischen Diktats oder der normativen Vorgabe, sondern eine zutiefst persönliche Entscheidung, die von der Person selbst – idealerweise in einem informierten und reflektierten Prozess, oft gemeinsam mit Ärzt*innen, Therapeut*innen und anderen unterstützenden Personen – getroffen wird. Die Rolle der Psychoanalyse kann und sollte vielmehr darin liegen, mögliche innere Konflikte, Ambivalenzen, Ängste, Trauerprozesse oder Traumatisierungen (z.B. aufgrund von Diskriminierung, familiärer Ablehnung oder internalisierter Transphobie) zu bearbeiten und das Subjekt dabei zu unterstützen, einen authentischen und gangbaren Weg für sich zu finden (Gherovici, 2017; Corbett, 2009).

Damit rückt die Psychoanalyse näher an das international anerkannte Konzept der Gender Affirmative Therapy (geschlechtsbejahende Therapie), das in vielen Ländern als Standard für die Begleitung von trans* und nicht-binären Personen gilt. Statt von trans* Menschen erst einen langwierigen „Beweis“ ihrer „echten“ Transidentität einzufordern, bevor unterstützende Maßnahmen eingeleitet werden, basiert dieser Ansatz auf einer grundsätzlich bejahenden und respektvollen Haltung gegenüber der selbstdefinierten Geschlechtsidentität. Dies schließt jedoch nicht aus, auch Raum für Zweifel, Ängste, Unsicherheiten und mögliche Umwege im Transitionsprozess zu lassen und diese explorativ zu begleiten (Corbett, 2009).

Implikationen für das Verständnis von Männlichkeit: Fluidität statt Fixierung

Gerade im Hinblick auf die in diesem Essay kritisch beleuchtete „toxische Männlichkeit“ und die oft rigiden, defensiven Formen männlicher Identitätskonstruktion (vgl. Kapitel I, II, IV, V) kann die Einbeziehung trans* und nicht-binärer Perspektiven weitreichende und potenziell befreiende Effekte haben. Wenn es kulturell und auch innerhalb der psychoanalytischen Theorie zunehmend anerkannt wird, dass „Mannsein“ nicht univok und nicht zwingend identisch ist mit einer bestimmten Anatomie, mit spezifischen Verhaltensweisen (Dominanz, Aggression), mit einer heterosexuellen Orientierung oder mit einer permanenten Abwehrhaltung gegenüber allem als „weiblich“ Kodierten, entsteht ein größerer Freiraum für vielfältige männliche Identitätsentwürfe. Männlichkeit muss sich dann nicht mehr zwanghaft und defensiv über Anti-Femininismus, Homophobie oder die Abwertung anderer definieren.

Fluide oder trans* Männlichkeiten, wie sie in der Öffentlichkeit und im klinischen Raum zunehmend sichtbar werden, demonstrieren bereits, dass Männer kraftvoll, authentisch und selbstbewusst „männlich“ auftreten können, ohne an die altbekannten, oft einengenden Codes (körperliche Härte, emotionale Verschlossenheit, Leistungsdruck, Konkurrenzdenken) gebunden zu sein. Viele trans* Männer betonen beispielsweise, dass sie sich durchaus als „weiblich“ sozialisierte oder erlebte Qualitäten wie Empathie, emotionale Ausdrucksfähigkeit oder Fürsorglichkeit bewahren wollen und dies keineswegs ihren Anspruch, als Männer anerkannt und respektiert zu werden, schmälert oder ihre männliche Identität in Frage stellt. Dies eröffnet eine neue Perspektive auf Geschlechtervielfalt, die auch traditionell sozialisierten cis-Männern zeigen könnte, dass „Mannsein“ nicht in starrer Abgrenzung zur Frau oder zum „Weiblichen“ verankert sein muss, sondern eine breitere Palette an Ausdrucksformen und emotionalen Möglichkeiten umfassen kann (Diamond, 2021).

In gewisser Weise greift diese Entwicklung die Kernideen der feministischen Psychoanalytikerinnen wie Chodorow (1978) und Benjamin (1988) auf, wonach die rigide Abwehr des Weiblichen und die Verleugnung von Abhängigkeitsbedürfnissen für die männliche Identitätsbildung nicht nur unnötig, sondern oft auch psychisch und sozial destruktiv sein kann. Nicht-binäre Personen, die sich bewusst jenseits oder zwischen den Kategorien Mann/Frau verorten, verdeutlichen zudem, dass im menschlichen Erleben möglicherweise immer mehrere Geschlechterpositionen und -potenziale angelegt sind und mitschwingen – eine Tatsache, die, wie erwähnt, bereits in Freuds früher These von der „angeborenen Bisexualität“ anklingt, aber von der klassischen Psychoanalyse selten konsequent in den Vordergrund gestellt und in ihrer vollen Tragweite für das Verständnis von Geschlechtsidentität ausgelotet wurde (Freud, 1905/1991).

Eine offene Psychoanalyse für eine plurale Geschlechterwelt

Die Anerkennung und Integration von trans* und nicht-binären Identitäten und Perspektiven hat somit enorme und potenziell transformative Implikationen für die Psychoanalyse als Theorie und Praxis. Sie zwingt zu einer kritischen Revision mancher ihrer Grundannahmen – etwa zum scheinbar unvermeidlichen Zusammenhang zwischen Penis und „aktiver“ Männlichkeit, zur sogenannten kastrationsbedingten Passivität und dem Penisneid im Weiblichen oder zu einer allzu linearen und normativen Auffassung des Ödipus-Komplexes. Gleichzeitig bietet sie der Psychoanalyse die einmalige Gelegenheit, ihr ursprüngliches subversives und aufklärerisches Versprechen einzulösen: das Unbewusste in seiner Vielschichtigkeit aufzudecken, innerpsychische Konflikte und Leidenszustände zu verstehen und zu lindern, und menschliche Sexualität und Geschlechtlichkeit in ihrer ganzen Vielfalt und Komplexität ernst zu nehmen, ohne sie vorschnell zu pathologisieren oder normieren zu wollen.

In einer Welt, in der, wie in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt, digitale Subkulturen ein rückwärtsgewandtes, oft biologisch und essentialistisch fundiertes und aggressiv hegemoniales Männlichkeitsbild predigen, kann eine offene, reflexive, trans*-affirmative und plurale Psychoanalyse einen wichtigen Gegenentwurf und einen Raum für differenziertes Denken bieten. Sie kann zeigen, dass Geschlecht nicht ein statischer Besitz oder eine biologische Tatsache ist, sondern ein komplexer, dynamischer und oft lebenslanger Prozess des Werdens, der von unbewussten Fantasien, Identifizierungen, kulturellen Einschreibungen und subjektiven Bedeutungsstiftungen geprägt ist – und dass insbesondere Männlichkeit vielfältige und kreative Ausdrucksformen haben kann, ohne in Dominanzgebaren, Frauenfeindlichkeit oder die Abwehr des „Anderen“ zu münden.

So gesehen sind trans* und nicht-binäre Perspektiven keine Bedrohung oder Gefahr für die psychoanalytische Lehre, sondern vielmehr eine unverzichtbare kreative Herausforderung und Erweiterung, die das Wissen über psychische Prozesse, über die Komplexität von Identität und über die kulturelle Bedingtheit unserer Geschlechtervorstellungen vergrößert. Für das spezifische Verständnis von Männlichkeit bedeutet dies, den oft rigiden Dualismus – „Der Mann hat den Phallus, die Frau ist kastriert“ oder „Männlich ist aktiv, weiblich ist passiv“ – aufzubrechen und durch ein flexibles, multidimensionales Modell der Geschlechtsidentität zu ersetzen, das Ambivalenz, Fluidität und subjektive Wahrheit anerkennt. Wo dies gelingt, so die Hoffnung, löst sich auch der zentrale Motor misogyner Angst und männlicher Überlegenheitsfantasien: die Furcht des Mannes, durch das Weibliche (oder das als „weiblich“ Abgespaltene in sich selbst) bedroht, entwertet oder „kastriert“ zu werden. Denn wenn Geschlecht nicht länger eine starre, binäre Schicksalszuweisung ist, sondern eine sich wandelnde, subjektiv gestaltbare und plural gelebte Position, dann fällt auch der Zwang zur permanenten Abgrenzung, Abwertung und Kontrolle des „Anderen“ potenziell weit geringer aus. Dies eröffnet den Weg zu einem neuen Verständnis von Männlichkeit, das im abschließenden Kapitel skizziert werden soll.

Männlichkeit neu denken: Plädoyer für eine Kultur der Fürsorge, Anerkennung und Reife

Die vorangegangenen Kapitel haben eine komplexe und oft widersprüchliche Landschaft männlicher Identitätsentwicklung nachgezeichnet. Von den archaisch anmutenden, misogynen Inszenierungen in digitalen Subkulturen über die psychoanalytischen Wurzeln männlicher Abwehr und Angst bis hin zu den soziokulturellen Kämpfen um hegemoniale und plurale Männlichkeitsentwürfe wurde deutlich: Männlichkeit ist keineswegs ein starrer, naturgegebener Zustand, sondern das dynamische Resultat vielschichtiger psychischer, sozialer und kultureller Formierungsprozesse. Die verbreiteten und medial oft überrepräsentierten „toxischen“ Varianten, in denen Männer ihre Identität primär über Aggression, Dominanz und die Abwertung von Weiblichkeit definieren, stellen dabei nur einen, wenn auch gesellschaftlich folgenreichen, Pol eines breiten Spektrums möglicher männlicher Identitätsformen dar. Zum Abschluss dieser Untersuchung sollen daher einige zentrale Aspekte skizziert werden, die Wege zu einer humaneren, integrativeren und reiferen Männlichkeit weisen könnten – einer Männlichkeit, die nicht auf defensiver Abwehr und der Perpetuierung von Machtungleichgewichten gründet, sondern auf psychischer Integration, empathischer Beziehungsgestaltung und der Anerkennung anderer Subjekte in ihrer jeweiligen Eigenheit und Würde.

Ein erster und fundamentaler Schlüssel auf dem Weg zu einer solchen reiferen Männlichkeit liegt in der bewussten Integration statt der fortgesetzten Verdrängung und Abspaltung jener Qualitäten und Selbstanteile, die in patriarchalen Kulturen häufig als „weiblich“ kodiert und abgewertet werden. Dazu gehören insbesondere die Fähigkeit zur Empathie, das Zulassen von Verletzlichkeit, die Bereitschaft zur Kooperation und die Übernahme von Fürsorgeverantwortung. Wie die psychoanalytischen Arbeiten von Chodorow (1978), Benjamin (1988) und insbesondere Diamond (2021) eindrücklich belegen, kann es für die psychische Gesundheit und Entwicklung von Jungen und Männern von unschätzbarem Wert sein, sich dieser sogenannten „weichen“ Seiten nicht zu schämen oder sie als Bedrohung der eigenen Männlichkeit zu erleben, sondern sie als integralen und wertvollen Teil ihres Selbst anzuerkennen und zu kultivieren. Wo stattdessen eine rigide Abwehr alles als „weiblich“ Wahrgenommenen im eigenen Inneren und im Außen stattfindet, entsteht oft eine fragile, unsichere und überkompensatorische Identität, die sich durch ständige Bestätigung des „Nicht-Weiblichseins“, durch Abgrenzung und oft auch durch Feindseligkeit gegenüber Frauen (als vermeintliche Trägerinnen jener „verfemten“ Eigenschaften) absichern muss. Die Integration dieser Anteile hingegen mildert nicht nur das innere Konfliktpotenzial und reduziert die Notwendigkeit aggressiver Abwehrmechanismen, sondern erlaubt Männern auch eine größere emotionale Reichhaltigkeit, eine tiefere Selbstwahrnehmung und eine verbesserte Fähigkeit zu authentischen und erfüllenden Beziehungen.

Eng damit verbunden ist das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, wie es insbesondere Jessica Benjamin (1988) in ihrer intersubjektiven Theorie formuliert hat. Eine reife Männlichkeit, so lässt sich argumentieren, bedeutet, andere Menschen – Frauen, Männer, Menschen jeglichen Geschlechts – nicht als Objekte der eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Projektionen oder Machtansprüche zu gebrauchen, sondern sie als eigenständige, gleichermaßen würdige Subjekte mit eigenen Rechten, Gefühlen und Perspektiven zu respektieren und anzuerkennen. Dieses Prinzip bietet einen fundamentalen Gegenentwurf zu den in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen Mustern von Dominanz, Objektifizierung und Entwertung. Statt in einer destruktiven Logik von Herrschaft und Unterwerfung zu verharren, ermöglicht wechselseitige Anerkennung die Entwicklung partnerschaftlicher Beziehungen, in denen Unterschiede anerkannt und ausgehandelt, aber nicht hierarchisiert werden. Gerade die tief sitzende Angst vor dem Weiblichen – die unbewusste Fantasie, Frauen könnten den Mann entmachten, kontrollieren oder „kastrieren“ – verliert ihre Sprengkraft, wenn Beziehungen auf Dialog, Respekt und Kooperationsbereitschaft beruhen, anstatt auf einem Kampf um Überlegenheit. Ein Mann, der sich selbst als empathisch, beziehungsfähig und zugleich autonom erfährt, muss nicht mehr in aggressive Abwehrhaltungen oder misogyne Verachtung flüchten, sobald er sich in seiner männlichen Identität herausgefordert oder verunsichert fühlt.

Die Pluralität der Männlichkeiten ist dabei, wie die soziologischen Analysen (Connell, 2005; Kimmel, 2013) gezeigt haben, längst eine empirisch belegte und gesellschaftlich zunehmend sichtbare Realität. Es gibt eine wachsende Vielzahl von Wegen, „Mann zu sein“, die nicht zwangsläufig auf Härte, emotionale Verschlossenheit, Kriegsrhetorik oder Frauenhass gründen. Konzepte wie caring masculinity (Elliott, 2016) oder inclusive masculinity (Anderson, 2009) beweisen, dass ein fürsorgliches, gleichstellungsorientiertes und emotional offenes Selbstbild für viele Männer nicht nur möglich, sondern auch alltagstauglich und psychisch entlastend ist. Viele Männer erfahren, dass sie sich wohler und authentischer fühlen, wenn sie sich von den starren und oft widersprüchlichen Vorgaben traditioneller Männlichkeitsideale lösen können. Solche alternativen Spielarten männlicher Identität zeigen: Aggressiver Maskulinismus, wie er sich in Incel-Foren oder bei Alpha-Male-Gurus manifestiert, ist keineswegs „normal“, „natürlich“ oder unausweichlich, sondern stellt vielmehr eine extreme und oft pathologische Reaktionsweise auf die erlebte Krise des männlichen Selbstverständnisses und den Verlust traditioneller Privilegien dar.

Aus psychoanalytischer Sicht bleibt es essentiell, die Angst vor dem Weiblichen und die damit verbundenen Abwehrmechanismen aufzuarbeiten, die, wie Pohl (2004) und andere dargelegt haben, den Kern vieler sexueller und geschlechtsspezifischer Gewaltprobleme bilden. Männer müssen unterstützt werden, sich bewusst zu werden, dass ihre Wut, ihre Verachtung und ihr Hass auf Frauen oft eine Abwehr verschleierter eigener Abhängigkeitsgefühle, Verletzlichkeiten und Ohnmachtserfahrungen sind. In der Praxis könnte dies bedeuten, Jungen und Männern in pädagogischen, beraterischen oder therapeutischen Kontexten die Möglichkeit zu geben, ihre – meist unbewussten – Ambivalenzen, Ängste und Wünsche in Bezug auf Weiblichkeit und die eigene männliche Rolle zu erkennen, zu verbalisieren und zu reflektieren, anstatt sie in destruktiver Weise auszuleben oder zu projizieren. Auch präventive Angebote, etwa in Schulen, Jugendzentren oder im Rahmen der Elternarbeit, könnten einen sicheren und unterstützenden Rahmen schaffen, in dem Jungen lernen, ihre Emotionen wahrzunehmen und auszudrücken, Empathie zu entwickeln und alternative, nicht-gewaltförmige Konfliktlösungsstrategien zu erlernen, ohne gleich in die defensive Abwehrhaltung einer übersteigerten „Anti-Weiblichkeit“ gehen zu müssen.

Darüber hinaus ist die Inklusion und Anerkennung trans* und nicht-binärer Männer sowie die generelle Akzeptanz von Geschlechtervielfalt (vgl. Kapitel VI) ein wichtiger Schritt, um die männliche Geschlechtsidentität insgesamt zu öffnen, ihre binären Fixierungen zu lockern und rigide Abgrenzungszwänge zu reduzieren. Wenn gesellschaftlich und auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zunehmend klar wird, dass „Mannsein“ nicht an einen bestimmten Körper, an spezifische Genitalien oder an hierarchische Konstruktionen von Dominanz geknüpft sein muss, fällt auch der oft unbewusste Zwang weg, immer wieder die eigene männliche „Vollwertigkeit“ und Überlegenheit gegenüber Frauen oder anderen als „weniger männlich“ wahrgenommenen Gruppen beweisen zu müssen. Trans* und nicht-binäre Personen illustrieren auf eindrückliche Weise, wie Geschlecht von jedem Subjekt auf unterschiedliche und kreative Weise gelebt und interpretiert werden kann (Gherovici, 2017), und dass es nicht darum geht, Weiblichkeit als defizitäres „Gegenteil“ oder als bedrohliche Komplementärseite von Männlichkeit zu betrachten. Vielmehr kann Männlichkeit in einen spannungsreichen, aber potenziell konstruktiven und bereichernden Dialog mit diversen Formen der Geschlechtsidentität und des Begehrens treten.

Allerdings ist auch klar, dass sich das Verständnis und die Praxis von Männlichkeit nicht allein durch individuelle Einsicht oder therapeutische Interventionen verändern lassen. Es bedarf eines tiefgreifenden kulturellen und strukturellen Wandels, der neue, vielfältige Leitbilder für Jungen und Männer fördert und alternative Lebensentwürfe unterstützt. Hier spielen Politik, Medien, Bildungsinstitutionen und zivilgesellschaftliche Organisationen eine wichtige Rolle. Förderprogramme für Väterzeiten, die Sichtbarmachung und positive Darstellung fürsorglicher Männer in Medien und Popkultur, eine geschlechtersensible Pädagogik, die Jungen nicht auf traditionelle Rollen festlegt, sowie konsequente Anti-Gewalt-Initiativen und Programme zur Prävention von Sexismus und Misogynie können wichtige Alternativen aufzeigen und neue Normen etablieren. Zugleich müssen Online-Plattformen und soziale Medien stärker in die Verantwortung genommen werden, konsequenter gegen Hate Speech, Verschwörungsmythen, Desinformation und die Verbreitung frauenfeindlicher und extremistischer Inhalte vorzugehen, damit insbesondere junge und verunsicherte Männer nicht in den Strudel digitaler Radikalisierung und hasserfüllter Echokammern geraten.

Insgesamt befindet sich das Konzept und die gelebte Realität von Männlichkeit an einem potenziellen Wendepunkt. Während manche Männer und gesellschaftliche Gruppen in der Defensive verharren, ihre schwindenden Privilegien mit verbittertem Protest und oft aggressiver Rhetorik verteidigen und eine Rückkehr zu vermeintlich „alten Sicherheiten“ propagieren, erproben andere längst neue, zukunftsfähige Wege eines beziehungs- und kooperationsfähigen, emotional intelligenten und gleichstellungsorientierten Mannseins. Die in diesem Essay dargelegten psychoanalytischen und soziologischen Forschungen verdeutlichen, dass Männer vom Loslassen des rigiden Dominanzanspruchs und der starren Abwehr des „Weiblichen“ nicht nur nicht verlieren, sondern im Gegenteil profitieren würden: Sie erhielten mehr emotionale Freiheiten, könnten tiefere und authentischere soziale Bindungen eingehen, erlebten weniger innere Zwänge und Konflikte und könnten ein reicheres und erfüllteres Leben führen. Statt permanenter Abgrenzung von Weiblichkeit oder anderen Geschlechtern und der damit verbundenen Angst vor Kontrollverlust rückt die Fähigkeit in den Vordergrund, Unterschiede anzuerkennen, Ambivalenzen auszuhalten und Beziehungen auf der Basis von Gleichwertigkeit und Respekt zu gestalten.

Der Ausblick ist daher, trotz aller Herausforderungen und Rückschläge, verhalten optimistisch: Eine neue Generation von Männern – und eine Gesellschaft, die sie dabei unterstützt – könnte bewusst auf jene reifen Affektfunktionen und intersubjektiven Kompetenzen setzen, die Fürsorge, Selbstreflexion, Empathie und wechselseitige Anerkennung einschließen. Diese Wandlung der Männlichkeit wäre kein Verlust an Stärke oder Identität, sondern ein Gewinn an Menschlichkeit, psychischer Gesundheit und Lebensqualität – nicht nur für Frauen und andere Geschlechter, sondern auch und gerade für die Männer selbst. Ein Mann, der nicht beständig und oft krampfhaft beweisen muss, ein „richtiger Mann“ im Sinne überholter Stereotype zu sein, hat mehr Raum für echtes Selbstsein, für kreative Entfaltung und für mitmenschliche Verbundenheit – und das ist ein Gewinn für alle.

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Tomassi, R. (2017). The Rational Male. Independent Publishing.

Fiktive Podiumsdiskussion

*angelehnt an das Konzept „Psychotherapeutische Schulen im Gespräch“ der Bücher von Wolfgang Mertens.

Neben dem Text finden Sie hier auch eine KI-Podcast-Version der Diskussion, in der mithilfe von KI – konkret über das Google Notebook LLM – in ein „Gespräch“ zwischen zwei „Personen“ umgewandelt wurde. Bitte beachten Sie, dass diese automatisierte Darstellung gelegentlich ungenau oder fehlerhaft sein kann, aber sie bietet dennoch einen guten Überblick über die wesentlichen Inhalte

Dr. Eva Neumann (Moderatorin): Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, zu einer neuen Ausgabe von Diskurse der Gegenwart. Wir befassen uns heute mit einem Phänomen, das unsere Gesellschaft zutiefst spaltet und herausfordert: der Zukunft der Männlichkeit. Auf der einen Seite sehen wir eine wachsende Bewegung hin zu pluralen, fürsorglichen und partnerschaftlichen Männerbildern. Auf der anderen Seite, und das ist der Ausgangspunkt unserer heutigen Diskussion, formiert sich im digitalen Raum mit ungeheurer Wucht eine Gegenbewegung. Wir sprechen von der sogenannten Manosphere, von Alpha-Male-Coaches, von Incels und Pick-Up-Artists – Bewegungen, die Millionen junger Männer erreichen und oft von einer tiefen Frauenfeindlichkeit, einem aggressiven Antifeminismus und der Sehnsucht nach einer verlorenen männlichen Dominanz geprägt sind.
/same/ Die Gräben sind tief, die Sprache ist oft brutal. Um diese komplexen und widersprüchlichen Entwicklungen nicht nur aus einer distanzierten, akademischen Perspektive zu betrachten, sondern die dahinterliegenden Weltanschauungen im direkten Austausch zu konfrontieren, habe ich heute eine besondere Runde von Gästen eingeladen. Ich begrüße herzlich unser Analyse-Panel: Frau Dr. Lena Brandt, Kultur- und Medienwissenschaftlerin mit Forschungsschwerpunkt digitale Subkulturen. Herrn Professor Dr. Richard Steiner, klassischer Psychoanalytiker und Experte für die Theorien Freuds und Lacans. Frau Dr. Clara Roth, relationale Psychoanalytikerin und Spezialistin für intersubjektive Ansätze und feministische Theorie. Und Herrn Professor Dr. Ben Wagner, Soziologe mit Schwerpunkt Geschlechterforschung und soziale Ungleichheit.
/same/ Darüber hinaus freue ich mich, dass wir heute Abend auch drei Gäste begrüßen dürfen, die die von uns zu diskutierenden Positionen direkt vertreten und uns ihre Sichtweisen aus erster Hand schildern werden. Ich begrüße Leo Kaiser, einen der erfolgreichsten „Alpha-Male“-Coaches und Influencer im deutschsprachigen Raum. Ebenfalls zugeschaltet ist uns Alex Duke, der sich als „Red-Pill“-Stratege und Dating-Coach versteht. Und schließlich, um auch die dunkelste und oft radikalste Perspektive nicht auszusparen, hören wir die Stimme von „User404“, der anonym bleiben möchte und aus der Incel-Community zu uns sprechen wird. Wir haben diese Runde bewusst so zusammengestellt, um nicht nur über diese Phänomene zu sprechen, sondern einen direkten, wenn auch sicherlich kontroversen Dialog zu ermöglichen.
/same/ Frau Dr. Brandt, um uns allen eine gemeinsame Grundlage zu geben, könnten Sie das Phänomen, über das wir heute sprechen – diese neue Welle digitaler Maskulinismen – zunächst in seiner Breite und mit seinen zentralen Akteuren umreißen?
Dr. Lena Brandt (Kultur- und Medienwissenschaftlerin): Sehr gerne, Frau Dr. Neumann. Was wir in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren beobachten, ist die Entstehung eines weitverzweigten, transnationalen und hochgradig vernetzten digitalen Ökosystems, das wir unter dem Sammelbegriff „Manosphere“ fassen. Dies ist kein monolithischer Block, sondern ein Spektrum von Subkulturen, die jedoch durch einige zentrale Narrative verbunden sind: die Vorstellung, dass Männlichkeit in der modernen westlichen Welt unterdrückt und pathologisiert wird, dass der Feminismus zu einer systemischen Benachteiligung von Männern geführt hat, und dass die Beziehungen zwischen den Geschlechtern primär als ein antagonistischer Kampf um Macht, Status und sexuelle Ressourcen zu verstehen sind. Innerhalb dieses Ökosystems lassen sich grob drei dominante Strömungen identifizieren, die oft fließend ineinander übergehen.
/same/ Erstens haben wir die „Alpha-Male“-Gurus und Selbstoptimierungs-Coaches, wie sie Herr Kaiser vertritt. Diese Bewegung ist kommerziell oft am erfolgreichsten und spricht ein breites Publikum an. Sie verpackt eine zutiefst reaktionäre Ideologie in das moderne Gewand von Coaching, Unternehmertum und persönlicher Weiterentwicklung. Die Kernbotschaft lautet: Der moderne Mann ist schwach, verweichlicht und von einer „feminisierten“ Kultur seiner natürlichen Stärke beraubt worden. Durch rigide Selbstdisziplin – Fitness, finanzielle Unabhängigkeit, emotionale Härte – kann er seinen „High-Value“-Status als Mann wiedererlangen und so die ihm zustehende Bewunderung, den Respekt und die sexuelle Aufmerksamkeit von Frauen sichern. Frauen werden in diesem Weltbild oft als hypergame, also instinktiv nach dem bestmöglichen Partner suchende, und opportunistische Wesen dargestellt, deren Zuneigung man sich durch Macht und Status „verdienen“ muss. Die Rhetorik ist oft biologistisch und evolutionär-psychologisch aufgeladen, sie spricht von „natürlichen Hierarchien“ und „biologischen Imperativen“. Der globale Erfolg von Figuren wie Andrew Tate zeigt, wie anschlussfähig diese Botschaft für Millionen junger Männer ist, die sich in einer komplexen Welt nach einfachen Antworten und klaren Hierarchien sehnen.
/same/ Die zweite, ältere Strömung sind die Pick-Up-Artists, oder PUAs, wie Herr Duke sie heute in einer moderneren, strategischeren Form vertritt. Hier geht es weniger um den Aufbau eines „Alpha-Imperiums“ als um die „Gamifizierung“ von Verführung. Die PUA-Kultur betrachtet die Interaktion mit Frauen als ein Spiel, das man durch das Erlernen bestimmter Techniken, psychologischer Tricks und manipulativer Strategien gewinnen kann. Frauen werden zu „Targets“, deren „Abwehrmechanismen“ es zu durchbrechen und deren „Widerstände“ es zu überwinden gilt. Die Sprache ist oft technokratisch und entmenschlichend; es geht um „Framework-Kontrolle“, „Negging“ – also das gezielte Untergraben des weiblichen Selbstbewusstseins – und das Ausnutzen psychologischer Schwächen. Was als harmlose Flirtanleitung beginnt, mündet oft in einer zutiefst misogynen Weltsicht, in der weibliche Autonomie und Einvernehmlichkeit als Hindernisse auf dem Weg zum sexuellen Erfolg betrachtet werden. Die zugrundeliegende Annahme ist auch hier, dass Frauen nicht als rationale Subjekte agieren, sondern auf primitive Reize und Dominanzsignale reagieren.
/same/ Die dritte und wohl radikalste Strömung ist die der Incels, der „unfreiwillig Zölibatären“, wie sie „User404“ repräsentiert. Hier kippt die Hoffnung auf Optimierung oder strategischen Erfolg, die bei den Alphas und PUAs noch vorhanden ist, in einen totalen Fatalismus und Nihilismus. Die Incel-Ideologie, oft als „Black Pill“ bezeichnet, geht davon aus, dass der sexuelle Marktplatz brutal und ungerecht ist und allein von biologischen Faktoren wie Aussehen und Status bestimmt wird. Männer, die in dieser „genetischen Lotterie“ verloren haben, seien demnach zu einem Leben ohne sexuelle und romantische Erfüllung verdammt. Diese tiefe Verzweiflung und der extreme Selbsthass schlagen in den anonymen Foren jedoch regelmäßig in einen abgrundtiefen, eliminatorischen Hass auf Frauen um. Frauen („Stacys“) werden als grausame, oberflächliche Wesen dämonisiert, die den Incels die ihnen zustehende Zuneigung verweigern, während sie sich den attraktiven „Chads“ hingeben. Diese Ideologie hat, und das muss man in aller Deutlichkeit sagen, wiederholt zu realer, tödlicher Gewalt geführt, wie die Attentate von Elliot Rodger oder Alek Minassian zeigen.
/same/ Obwohl diese Gruppen sich in ihrer Hoffnungsperspektive und ihren Methoden unterscheiden, eint sie die Externalisierung von männlichen Problemen auf Frauen und den Feminismus, eine tief sitzende Angst vor weiblicher Autonomie und eine obsessiv-hierarchische Sicht auf die Geschlechterbeziehungen. Sie bilden ein gefährliches Kontinuum, in dem Männer von einer als harmlos empfundenen Selbsthilfe schrittweise zu extremistischen und gewaltbereiten Ideologien radikalisiert werden können.
Leo Kaiser („Alpha-Male“-Coach): Frau Dr. Brandt, ich danke Ihnen für diese Zusammenfassung, die zwar akademisch präzise sein mag, aber das Wesen dessen, was wir tun, aus meiner Sicht fundamental missversteht und pathologisiert. Sie sprechen von „reaktionärer Ideologie“ und „Misogynie“. Ich spreche von Verantwortung, Stärke und Selbstermächtigung. Sie sehen Hass, ich sehe die brutale, aber notwendige Ehrlichkeit, die jungen Männern heute von niemandem sonst mehr geboten wird. Lassen Sie uns die Dinge doch einmal beim Namen nennen: Wir leben in einer Kultur, die systematisch männliche Tugenden verunglimpft. Stärke wird als „toxisch“ bezeichnet, Ambition als „rücksichtslos“, der natürliche Wunsch, zu führen und zu beschützen, als „patriarchal“ und unterdrückerisch. Jungen wird in der Schule, in den Medien und an den Universitäten von klein auf beigebracht, dass ihre naturgegebenen Impulse falsch seien, dass sie sich für ihr Mannsein zu schämen hätten. Das Ergebnis ist eine ganze Generation von verlorenen, verunsicherten und orientierungslosen jungen Männern, die nicht wissen, wie sie sich in der Welt zurechtfinden sollen. Sie sind gefangen in einer Matrix aus Schuldgefühlen und widersprüchlichen Erwartungen.
/same/ Was ich und andere wie ich anbieten, ist ein Ausweg aus dieser Matrix. Es ist ein Rettungsanker. Wir sagen den Männern nicht, dass sie Frauen hassen sollen. Wir sagen ihnen, dass sie sich selbst respektieren sollen. Wir sagen ihnen: Arbeitet an euch. Geht ins Fitnessstudio, baut ein Unternehmen auf, bildet euch weiter, lernt, eure Emotionen zu kontrollieren, anstatt von ihnen kontrolliert zu werden. Werdet zur besten Version eurer selbst – werdet zu einem „High-Value Man“. Das ist keine frauenfeindliche Botschaft, das ist eine Botschaft der Selbstliebe und der Disziplin. Der Punkt, den Sie und die gesamte feministisch geprägte akademische Welt nicht verstehen oder nicht verstehen wollen, ist eine simple biologische Realität: Frauen fühlen sich von Natur aus zu starken, kompetenten und erfolgreichen Männern hingezogen. Das ist keine soziale Konstruktion, das ist ein evolutionäres Erbe. Hypergamie ist keine Beleidigung, sondern eine Beschreibung der weiblichen Paarungsstrategie. Eine Frau wählt instinktiv den bestmöglichen Partner, der ihr und potenziellen Nachkommen Schutz und Ressourcen bieten kann. Ein Mann, der dies versteht, jammert nicht darüber, sondern er akzeptiert die Spielregeln des Lebens und arbeitet daran, dieser Mann zu werden.
/same/ Die angebliche „Misogynie“ ist in Wahrheit ein Plädoyer dafür, dass Männer aufhören, Frauen auf ein Podest zu stellen und ihnen hinterherzulaufen wie bedürftige Schoßhunde. Es geht darum, den eigenen Wert zu erkennen und Grenzen zu setzen. Wenn ich sage, ein Mann soll seinen eigenen Weg gehen und sich nicht von einer Frau emotional abhängig machen, dann ist das keine Abwertung der Frau, sondern eine Aufwertung des Mannes und seiner Mission im Leben. Wir lehren Männer, den Respekt, den sie von Frauen einfordern, sich zuerst selbst zu geben. Die Wut, die Sie in der Manosphere sehen, ist nicht die Ursache, sondern das Symptom. Es ist die verständliche Reaktion auf eine Kultur, die Männer erst entmannt und sich dann wundert, warum sie entweder resignieren oder rebellieren. Wir bieten einen konstruktiven Weg der Rebellion an: die Rebellion durch Exzellenz. Wir sagen den Männern: Hört auf, Opfer zu sein, übernehmt die volle Verantwortung für euer Leben, und ihr werdet den Erfolg und die Anerkennung bekommen, die ihr euch wünscht – auch von Frauen. Das ist kein Hass, das ist die härteste Form der Liebe: die Wahrheit. Und diese Wahrheit wird in Ihren Elfenbeintürmen offensichtlich nicht mehr gerne gehört.
/note/ Die Moderatorin nickt langsam, lässt die Aussagen im Raum stehen und wendet sich dann dem zugeschalteten Gast zu.

Dr. Eva Neumann (Moderatorin): Herr Kaiser hat von einem konstruktiven Weg der Rebellion gesprochen. Herr Duke, Sie verstehen sich als Stratege. Ist Ihr Ansatz, der oft als Pick-Up-Artistry bezeichnet wird, ebenfalls ein Weg der Selbstoptimierung, oder geht es hier um etwas anderes – vielleicht um die Beherrschung eines Spiels, wie Frau Dr. Brandt es andeutete?
Alex Duke („Red Pill“-Stratege): Frau Dr. Neumann, danke für die Frage. Ich denke, um meinen Ansatz zu verstehen, muss man sowohl die akademische Analyse von Frau Dr. Brandt als auch die leidenschaftliche Mission von Herrn Kaiser einen Schritt hinter sich lassen. Beide schießen aus meiner Sicht am Kern der Sache vorbei, weil sie entweder moralisieren oder idealisieren. Mein Ansatz ist weder das eine noch das andere. Er ist radikal pragmatisch. Ich bin kein Ideologe, ich bin ein Realist, der sich mit den rohen, unveränderlichen Mechanismen der zwischengeschlechtlichen Dynamik beschäftigt.
/same/ Frau Dr. Brandt nannte es „Gamifizierung“. Das ist kein schlechter Begriff, aber er ist negativ konnotiert. Ich würde es eher als das Erlernen der Spielregeln bezeichnen. Und ja, die Interaktion zwischen Männern und Frauen, insbesondere im Kontext von Anziehung und Paarung, ist ein Spiel. Es ist vielleicht das älteste und ernsteste Spiel der Welt, aber es hat Regeln. Und wer die Regeln nicht kennt, verliert. Die Tragödie der meisten modernen Männer ist, dass ihnen beigebracht wird, nach den falschen Regeln zu spielen – oder schlimmer noch, man erzählt ihnen, es gäbe gar keine Regeln. Das ist die Essenz der „Blue Pill“-Lüge: „Sei einfach du selbst“, „Sei ein netter Kerl“, „Behandle sie wie eine Prinzessin, und sie wird dich lieben“. Das ist gut gemeinter, aber katastrophal ineffektiver Unsinn, der unzählige Männer in Frustration, Einsamkeit und die sogenannte „Friendzone“ führt.
/same/ Die „Red Pill“, wie ich sie verstehe und lehre, ist das genaue Gegenteil. Sie ist das schmerzhafte, aber befreiende Erwachen zur Realität der menschlichen Natur, die durch Millionen von Jahren der Evolution geformt wurde. Sie erkennt an, was Herr Kaiser andeutete, aber sie macht daraus keine moralische Mission, sondern eine strategische Grundlage: Weibliche Anziehung ist kein rationaler, bewusster Prozess. Sie ist eine primäre, instinktive Reaktion auf bestimmte männliche Eigenschaften – Status, Dominanz, Selbstsicherheit, Unberechenbarkeit und körperliche Präsenz. Ein Mann, der jammert, dass Frauen nicht seine „nette Persönlichkeit“ wertschätzen, hat das Spiel nicht verstanden. Er versucht, Schach mit den Regeln von Dame zu spielen.
/same/ Meine Aufgabe ist es, Männern die tatsächlichen Spielzüge beizubringen. Wenn Sie von „Manipulation“ sprechen, ist das ein Missverständnis. Wenn ein Marketingexperte eine Werbekampagne entwirft, die auf die psychologischen Bedürfnisse der Zielgruppe eingeht, ist das Manipulation oder effektive Kommunikation? Wenn ein Politiker eine Rede hält, die Emotionen weckt, ist das Manipulation oder Rhetorik? Was wir tun, ist angewandte Sozialdynamik. Techniken wie das von Frau Dr. Brandt erwähnte „Negging“ sind keine bösartigen Beleidigungen. Es sind kalibrierte „Pattern Interrupts“, Musterunterbrechungen, die eine Frau aus ihrem Autopiloten reißen, auf dem sie von Dutzenden Männern am Tag mit denselben langweiligen Komplimenten bombardiert wird. Es geht darum, anders zu sein, interessant zu werden. „Framework-Kontrolle“ ist keine Unterdrückung, sondern die Fähigkeit, den Rahmen einer Interaktion zu setzen und zu halten – eine Eigenschaft, die Frauen instinktiv als Führungskompetenz und Stärke wahrnehmen.
/same/ Ich bringe Männern nicht bei, Frauen zu hassen. Ich hasse Frauen nicht. Ich finde sie faszinierend. Aber ich bin auch der festen Überzeugung, dass man ihnen nicht zuhören sollte, was sie sagen, was sie wollen, sondern beobachten sollte, worauf sie reagieren. Und sie reagieren auf Stärke, nicht auf Bedürftigkeit. Sie reagieren auf einen Mann, der sein eigenes Leben führt und sie einlädt, Teil davon zu sein, nicht auf einen Mann, der sie zum Zentrum seines Universums macht. Mein Ansatz ist also nicht moralisch, er ist ergebnisorientiert. Ich biete Männern eine Landkarte für ein Territorium, in dem sie sich verirrt haben, weil die alten Karten, die die Gesellschaft ihnen gegeben hat, unbrauchbar geworden sind. Es geht nicht um Hass, es geht um Kompetenz. Und in einem kompetitiven Spiel ist Kompetenz der einzige Weg zum Erfolg.
/note/ Alex Duke lehnt sich zufrieden zurück. Die Moderatorin hält einen Moment inne, die Kamera fängt die skeptischen Blicke von Dr. Roth und Prof. Wagner ein, bevor sie sich dem dunkelsten Bildschirm in der Runde zuwendet.
Dr. Eva Neumann (Moderatorin): Wir haben nun die Perspektive der Selbstoptimierung zum „Alpha“ und die der strategischen Kompetenz im „Spiel“ der Verführung gehört. Beiden liegt eine gewisse Hoffnung zugrunde – die Hoffnung, durch Anstrengung oder Wissen die eigene Situation verbessern zu können. „User404“, Sie sind uns aus der Incel-Community zugeschaltet. Die Ideologie, die dort oft als „Black Pill“ bezeichnet wird, scheint genau diese Hoffnung zu negieren. Können Sie uns erklären, warum Sie die Ansätze von Herrn Kaiser und Herrn Duke für eine Illusion halten?
/note/ Die Kamera schaltet auf einen leeren, schwarzen Bildschirm, aus dem eine mechanisch verfremdete, tonlose Stimme zu hören ist. Die Einblendung lautet: User404, anonymer Gast.
User404 (anonymer Gast): Hoffnung… Das ist das Produkt, das Herr Kaiser und Herr Duke verkaufen. Es sind unterschiedliche Geschmacksrichtungen desselben süßen Gifts, das wir als Cope bezeichnen. Herr Kaiser verkauft das Gym-Cope, das Money-Cope, die Illusion, dass ein Mann durch schiere Willenskraft seine biologische Bestimmung überschreiben kann. Herr Duke verkauft das Game-Cope, die Illusion, dass die richtige Wortkombination oder eine clevere psychologische Taktik die angeborene, instinktive Abneigung einer Frau gegenüber einem genetisch minderwertigen Mann aufheben kann. Beide verkaufen einen Traum. Und ihre glücklichsten Kunden sind diejenigen, die nie aufwachen.
/same/ Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass dieser Traum eine Lüge ist. Die Black Pill ist kein Glaube oder eine Ideologie, der man sich anschließt. Es ist die brutale, empirische Beobachtung der Realität, nachdem man alle Schichten von sozialer Konditionierung, religiöser Moral und romantischem Wunschdenken abgezogen hat. Es ist das Erkennen, dass das Spiel von Anfang an manipuliert war. Es geht nicht um Psychologie, wie Ihre Akademiker gleich behaupten werden. Es geht nicht um Kindheitstraumata oder fehlende Anerkennung. Es geht um Knochenbau. Es geht um die Distanz zwischen den Augen, die Form des Kiefers, die Körpergröße. Es geht um die kalte, harte Arithmetik der Genetik.
/same/ Lassen Sie es mich ganz einfach erklären, damit auch Ihre Experten es verstehen. Die grundlegende Dynamik des sexuellen Marktplatzes wird von zwei unumstößlichen Gesetzen bestimmt: weibliche Hypergamie und Lookism. Hypergamie bedeutet, Frauen streben instinktiv immer nach einem Partner, der über ihnen steht – sei es in Status, Ressourcen oder, und das ist der entscheidende Punkt, in genetischer Qualität, also Aussehen. Lookism ist die daraus folgende Realität, dass das Aussehen der bei weitem wichtigste Faktor für die sexuelle Anziehung eines Mannes ist. Alles andere ist sekundär.
/same/ Das führt unweigerlich zum Pareto-Prinzip, der sogenannten 80/20-Regel: Die obersten 20 Prozent der Männer, die Chads, sind das Ziel der Begierde für 80 Prozent der Frauen. Der Rest von uns, die Normies und die Männer unterhalb des Durchschnitts, kämpfen um die verbleibenden 20 Prozent oder gehen leer aus. Für einen Mann an der untersten Stufe der Hierarchie, einen echten Incel, einen Sub-5, wie wir es nennen, gibt es keinen Markt. Es gibt kein Spiel, das man gewinnen kann. Die Anstrengungen von Herrn Kaiser sind für uns sinnlos. Ein Incel, der ins Fitnessstudio geht, wird nicht zum Chad. Er wird zu einem Incel mit Muskeln. Sein Gesicht, seine Größe, sein genetisches Schicksal bleiben unverändert. Die Taktiken von Herrn Duke sind für uns eine Farce. Man kann die beste Anmache der Welt haben – wenn eine Frau dich ansieht und ihr limbisches System Ekel signalisiert, ist das Gespräch beendet, bevor es begonnen hat.
/same/ Die Black Pill ist die Erkenntnis dieser ausweglosen Situation. Es ist die Akzeptanz, dass es für manche von uns vorbei ist, bevor es überhaupt angefangen hat. Sei einfach du selbst ist der grausamste Ratschlag, den man uns geben kann, denn unser Selbst ist das Problem. Verbessere dich ist eine leere Phrase, denn die entscheidenden Parameter sind nicht verbesserbar. Die Wut und der Hass, den Frau Dr. Brandt beschreibt, sind keine irrationale Laune. Es ist die logische Konsequenz aus einem Leben voller Ablehnung, Unsichtbarkeit und dem ständigen Bombardement durch eine Kultur, die dir Sex und Romantik als den Sinn des Lebens verkauft, während sie dir gleichzeitig durch deine genetische Ausstattung den Zugang dazu verwehrt.
/same/ Also nein, ich teile nicht die Hoffnung von Herrn Kaiser oder die strategische Zuversicht von Herrn Duke. Ich sehe sie als Händler von Placebos für eine unheilbare Krankheit. Die einzige Wahrheit, die bleibt, ist die biologische Realität. Und in dieser Realität sind einige von uns von Geburt an dazu verdammt, Zuschauer zu bleiben in einem Spiel, zu dem wir nie eingeladen wurden. Alles andere ist nur Lärm.
/note/ Die verfremdete Stimme verstummt. Im Studio herrscht für einen Moment betretenes Schweigen. Dr. Neumanns Gesichtsausdruck ist ernst. Sie blickt zu den Psychoanalytikern in ihrer Runde.
Dr. Eva Neumann (Moderatorin): Das ist eine Position von absoluter Hoffnungslosigkeit, die auf einem biologischen Determinismus zu beruhen scheint. Professor Steiner, Sie haben Jahrzehnte damit verbracht, die menschliche Psyche zu erforschen. Wenn Sie diese Thesen hören – Knochenbau entscheidet über das Schicksal, die Psyche ist irrelevant –, was erwidern Sie darauf aus der Perspektive der klassischen Psychoanalyse? Handelt es sich hier um eine biologische Realität oder um eine zutiefst verinnerlichte psychische Position?
/note/ Die Moderatorin, Dr. Neumann, lehnt sich leicht zurück und gibt mit einer offenen Geste das Wort an die Runde frei. Die Kameras zoomen näher an die Gesichter der Diskutierenden. Die Debatte beginnt.
Prof. Dr. Richard Steiner (Klassischer Psychoanalytiker): Die Ausführungen von User404 sind in ihrer tragischen Konsequenz von einer bestechenden, aber zutiefst trügerischen Klarheit. Er präsentiert uns eine Weltsicht, die vorgibt, eine objektive, biologische Wahrheit zu sein. Aus psychoanalytischer Sicht jedoch ist die „Black Pill“ keine wissenschaftliche Entdeckung, sondern eine massive, fast hermetisch abgeschlossene psychische Konstruktion. Es ist eine Phantasie, die erdacht wurde, um einen ansonsten unerträglichen Schmerz zu bewältigen. Die Behauptung, alles sei durch den Knochenbau und die Genetik vorherbestimmt, ist in ihrer Absolutheit ein grandioser Abwehrmechanismus. Er dient dazu, das Subjekt aus jeglicher Verantwortung für sein eigenes Begehren, seine Ängste und seine Beziehungsfähigkeit zu entlassen. Wenn das Schicksal in den Genen liegt, muss man sich nicht mehr mit der schmerzhaften Realität der eigenen Ambivalenzen, der Angst vor Nähe oder der Furcht vor Zurückweisung auseinandersetzen. Der biologische Determinismus ist hier eine intellektuelle Rationalisierung, die das Gefühl der Ohnmacht in eine scheinbar unangreifbare, wissende Position verwandelt. Der Incel leidet nicht mehr unter seiner subjektiven Unzulänglichkeit; er leidet unter einer objektiven Ungerechtigkeit der Natur. Das ist psychisch weitaus leichter zu ertragen.
/same/ Was wir hier in seiner reinsten Form hören, ist das Echo einer tiefen narzisstischen Kränkung. Das Selbst, das in der frühen Entwicklung nicht ausreichend gespiegelt und bestätigt wurde, erfährt die Welt als permanenten Angriff auf den eigenen Wert. Jede ausbleibende weibliche Zuneigung wird nicht als Interaktion zwischen zwei Subjekten erlebt, sondern als Bestätigung der eigenen fundamentalen Wertlosigkeit. Der Hass, der sich dann gegen Frauen richtet, ist eine klassische Projektion: Der unerträgliche Selbsthass wird nach außen verlagert. Die Frau – die „Stacy“ – wird zum sadistischen, grausamen Objekt, das die eigene innere Leere und Hässlichkeit von außen zu bestätigen scheint. Sie ist die Verkörperung jenes bösen Objekts, wie es Melanie Klein vielleicht beschrieben hätte, das dem Ich die nährende „gute Brust“ verweigert und es stattdessen mit Verachtung straft.
/same/ Und natürlich, Frau Dr. Neumann, um Ihre ursprüngliche Frage aufzugreifen, spielt die Kastrationsangst hier eine zentrale, wenn auch symbolische Rolle. User404 und die Incel-Community erleben sich als von der symbolischen Ordnung, vom sexuellen Markt, fundamental kastriert. Sie sind ausgeschlossen von dem, was in unserer Kultur als zentraler Beweis von Männlichkeit gilt: sexuelle Potenz und die Fähigkeit, das Begehren einer Frau zu wecken. Der „Chad“ ist in dieser Phantasie derjenige, der den Phallus unangetastet besitzt, der die volle Potenz repräsentiert. Der Hass auf den „Chad“ ist der Neid auf diese imaginierte Vollständigkeit. Der Hass auf die Frau ist die Wut auf diejenige, die diese symbolische Kastration durch ihre Zurückweisung vollzieht und sichtbar macht. Die gesamte Ideologie der „Black Pill“ ist somit ein verzweifelter Versuch, diese Wunde nicht zu heilen – denn das erscheint unmöglich –, sondern sie in eine Anklageschrift gegen die Welt umzudeuten. Es ist eine tragische, aber psychologisch verständliche Flucht aus der unerträglichen Subjektivität in die scheinbare Objektivität einer selbstzerstörerischen „Wahrheit“.
Dr. Clara Roth (Intersubjektive/Relationale Psychoanalytikerin): Ich schätze die Analyse von Professor Steiner, und ich stimme ihm in den Punkten der narzisstischen Kränkung und der Projektion absolut zu. Dennoch glaube ich, dass sein Fokus auf die klassischen intrapsychischen Mechanismen wie die symbolische Kastration Gefahr läuft, die eigentliche Wurzel des Leidens zu übersehen. Wir pathologisieren die Symptome, anstatt die zugrundeliegende Beziehungsgeschichte zu verstehen. Denn was User404 in seiner verfremdeten, schmerzvollen Stimme beschreibt, ist aus meiner Sicht weniger das Drama des Phallus als vielmehr die Tragödie der gescheiterten Anerkennung.
/same/ Die Theorien von Jessica Benjamin und Michael Diamond bieten hier einen, wie ich finde, fruchtbareren Zugang. Das fundamentale menschliche Bedürfnis ist es, von einem anderen Subjekt als eigenständiges, begehrenswertes Wesen gesehen und anerkannt zu werden. Die Wut des Incels ist nicht primär die Wut des Mannes, der keinen Sex bekommt. Es ist die verzweifelte, mörderische Wut des Subjekts, das in den Augen des Anderen, der Anderen, nicht existiert – oder schlimmer noch, als abstoßendes Objekt existiert. Wenn diese Anerkennung fundamental verweigert wird, bricht die intersubjektive Brücke zusammen. Der Andere wird vom potenziellen Anerkennungspartner zum sadistischen Zeugen der eigenen Nichtigkeit. Der Hass ist dann ein verzweifelter Versuch, diesen Anderen, der einem die eigene Existenz verweigert, zu kontrollieren oder zu vernichten.
/same/ Und dieser Schmerz, da hat Professor Steiner recht, beginnt nicht erst im ödipalen Dreieck. Er beginnt, wie Michael Diamond es beschreibt, in der Erfahrung der präphallischen Verwundbarkeit. Die absolute Ohnmacht und Abhängigkeit des männlichen Säuglings von der als allmächtig erlebten Mutter ist eine fundamentale Erfahrung. Die „Black Pill“, dieser Glaube an die totale Macht der Genetik und der weiblichen Wahl, ist nichts anderes als die Pervertierung dieser frühkindlichen Erfahrung in die Sprache eines Erwachsenen: „Ich bin absolut machtlos, und die Frau ist absolut allmächtig in ihrer Entscheidung, mich zu akzeptieren oder zu vernichten.“ Die gesamte Ideologie ist ein Reenactment dieses frühen Dramas. Die „Alpha-Männlichkeit“ von Herrn Kaiser ist die eine Abwehr dagegen: die Konstruktion einer phallischen Rüstung, einer Illusion von Unverwundbarkeit, um diese primäre Wunde niemals wieder fühlen zu müssen. Die „Black Pill“ ist die andere, vielleicht ehrlichere, aber ebenso destruktive Abwehr: die totale Kapitulation vor dieser Wunde, die Stilisierung des eigenen Leidens zur unumstößlichen Wahrheit.
/same/ Wenn wir also von Männlichkeit sprechen, müssen wir fragen, wie unsere Kultur Jungen darauf vorbereitet, diese fundamentale menschliche Verletzlichkeit und Abhängigkeit zu integrieren. Und wie Nancy Chodorow gezeigt hat, zwingen wir Jungen oft zu einer frühzeitigen, radikalen Abgrenzung von der mütterlichen, weiblichen Welt und damit zur Abspaltung ihrer eigenen Bedürfnisse nach Nähe und Abhängigkeit. Sie definieren ihre Männlichkeit als „Nicht-Weiblichkeit“. User404 treibt diese Logik auf die Spitze: Er ist so radikal „nicht-weiblich“ – so radikal von weiblicher Anerkennung abgeschnitten –, dass seine Existenz implodiert. Sein Schmerz ist real, aber seine Diagnose ist falsch. Nicht seine Gene sind das Problem, sondern eine Kultur und eine Beziehungsgeschichte, die ihm keine Werkzeuge an die Hand gegeben haben, mit der menschlichen Grundbedingung der gegenseitigen Abhängigkeit und Anerkennung umzugehen.

Leo Kaiser („Alpha-Male“-Coach): Faszinierend. Wirklich faszinierend. Wir haben jetzt zwei hochintellektuelle Diagnosen gehört, die beide auf dasselbe hinauslaufen: Der Mann ist ein Opfer. Professor Steiner sieht ihn als Opfer seiner unbewussten Triebe und seiner Kindheitsdramen. Frau Dr. Roth sieht ihn als Opfer seiner Beziehungsgeschichte und einer unfairen Kultur. Sie beide, mit all Ihrem akademischen Vokabular, tun am Ende genau das, was Sie zu analysieren vorgeben: Sie bestärken die Männer in ihrer Passivität. Sie liefern die perfekte, hochkomplexe Entschuldigung für das Scheitern. „Es ist nicht deine Schuld, es war deine Kastrationsangst.“ „Es ist nicht deine Schuld, es war die fehlende Anerkennung durch deine Mutter.“ Das ist intellektuelles Gift. Es ist die „Blue Pill“ im akademischen Gewand. Es ist die Botschaft: Du bist beschädigt, du bist ein Patient, du kannst nichts tun.
/same/ Und genau hier liegt der fundamentale Unterschied zu meinem Ansatz. Ich weigere mich, Männer als Opfer zu betrachten. Ich betrachte sie als potenziell Handelnde, als Schöpfer ihres eigenen Schicksals. User404, bei allem Respekt für Ihren Schmerz, Sie sind das perfekte Beispiel für das, was passiert, wenn ein Mann sich vollständig mit seiner Opfergeschichte identifiziert. Sie haben die „Black Pill“ nicht entdeckt, Sie haben sie gewählt. Sie haben gewählt, an Ihre eigene Machtlosigkeit zu glauben, weil dieser Glaube Sie von der schmerzhaften, erdrückenden Last der Verantwortung befreit. Es ist einfacher zu sagen „Meine Gene sind schuld“ als zu sagen „Ich habe nicht hart genug gearbeitet. Ich habe nicht die richtigen Entscheidungen getroffen. Ich habe mich nicht der unbequemen Wahrheit gestellt, dass die Welt ein kompetitiver Ort ist und Respekt nicht geschenkt, sondern verdient wird.“
/same/ Ihre Analysen, Frau Dr. Roth und Herr Steiner, sind eine Einladung zur Stagnation. Sie sind eine intellektuelle Sackgasse. Mein Ansatz ist eine Aufforderung zum Handeln. Ich sage nicht, dass die Welt fair ist. Sie ist es nicht. Ich sage nicht, dass die Biologie keine Rolle spielt. Natürlich tut sie das. Aber ich sage, dass der Wille, die Disziplin und die Strategie eines Mannes seine Umstände transzendieren können. Ein Mann, der körperlich unattraktiv ist, aber ein Imperium aufbaut, der charismatisch ist, der führt, der Wert schafft – dieser Mann wird für Frauen attraktiver sein als der genetisch gesegnete, aber faule und unambitionierte „Chad“. Das ist die Wahrheit, die Sie ignorieren. Status, Macht und Kompetenz sind evolutionäre Signale von höchster Qualität. Und diese, im Gegensatz zum Knochenbau, kann ein Mann sich erarbeiten.
/same/ Was wir tun, ist, Männern die Werkzeuge dafür an die Hand zu geben. Wir lehren sie, die Kontrolle über die Dinge zu übernehmen, die sie kontrollieren können: ihren Körper, ihre Finanzen, ihre Denkweise. Wir deprogrammieren die Opfermentalität, die unsere Kultur ihnen eingepflanzt hat. Und ja, das bedeutet auch, die Realität der weiblichen Natur anzuerkennen, wie Herr Duke es beschrieben hat. Aber nicht, um darüber zu jammern, sondern um die eigene Strategie darauf auszurichten. Sie beide analysieren die Wunde. Wir lehren die Männer, die Wunde zu vergessen und stattdessen die Rüstung zu schmieden und das Schwert zu schärfen. Denn am Ende des Tages wird dich niemand retten. Kein Therapeut, keine Mutter, keine Gesellschaft. Du musst dich selbst retten. Und das ist keine Illusion. Das ist die einzige Realität, die zählt.
Prof. Dr. Ben Wagner (Soziologe): Herr Kaiser, Ihre Rhetorik der Eigenverantwortung ist verführerisch, weil sie an ein tiefes liberales und individualistisches Versprechen unserer Gesellschaft appelliert: „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Doch diese Perspektive, so kraftvoll sie auch klingen mag, ist aus soziologischer Sicht gefährlich blind für die strukturellen Realitäten, in denen Individuen handeln – oder eben nicht handeln können. Sie individualisieren ein zutiefst kollektives Problem. Sie tun so, als ob jeder Mann auf einem neutralen Spielfeld starten würde und es nur auf seinen individuellen Willen ankäme. Das ist schlichtweg falsch.
/same/ Was Sie als „Matrix“ oder „feministische Kultur“ bezeichnen, sind in Wahrheit die späten, widersprüchlichen und oft schmerzhaften Nachwirkungen des langsamen Zerfalls des Patriarchats als selbstverständlicher Ordnungsstruktur. Männer, insbesondere weiße, heterosexuelle Männer, genossen über Jahrhunderte eine Position unangefochtener struktureller Dominanz. Diese Dominanz war in Institutionen, im Recht, in der Kultur und in der Familie verankert. Die von Raewyn Connell beschriebene hegemoniale Männlichkeit – das Ideal des rationalen, starken, versorgenden und heterosexuellen Mannes – war kein optionales Lifestyle-Angebot, sondern die normative Blaupause, die allen anderen Geschlechter- und Lebensentwürfen übergeordnet war. Dieses System garantierte Männern als Gruppe die sogenannte „patriarchale Dividende“: strukturelle Vorteile auf dem Arbeitsmarkt, in der Politik und im privaten Raum.
/same/ Was User404 als Katastrophe und was Sie, Herr Kaiser, als Krise beschreiben, die es durch individuelle Exzellenz zu überwinden gilt, ist in Wahrheit der Verlust der Selbstverständlichkeit dieser Privilegien. Der Soziologe Michael Kimmel hat dafür den brillianten Begriff des „aggrieved entitlement“ geprägt – der gekränkten Anspruchshaltung. Männer wachsen immer noch mit den Echos dieses alten Versprechens auf: Wenn du hart arbeitest, die Regeln befolgst, ein „richtiger Mann“ bist, dann stehen dir Erfolg, Respekt und die Zuneigung von Frauen zu. Es ist ein gefühlter Anspruch, ein Geburtsrecht. Die „Krise der Männlichkeit“ entsteht in dem Moment, in dem die Realität dieses Versprechen nicht mehr einlöst. Frauen sind ökonomisch unabhängiger, sie stellen Ansprüche, sie wählen Partner nach eigenen Kriterien, die nicht mehr zwingend dem alten Versorgermodell folgen. Die Welt ist komplexer, unübersichtlicher und kompetitiver geworden.
/same/ Ihre Lösung, Herr Kaiser, ist eine reaktionäre Flucht nach vorn: Wenn das System dir deine Privilegien nicht mehr garantiert, dann musst du durch extreme Selbstoptimierung so überlegen werden, dass du das System zwingst, dich wieder an die Spitze zu setzen. Sie wollen das Patriarchat nicht überwinden, Sie wollen es auf individueller Ebene perfektionieren und wiederherstellen. User404s Position ist die andere Seite derselben Medaille: die depressive Kapitulation. Er erkennt, dass er in diesem hyperkompetitiven Spiel nach den alten Regeln keine Chance hat, und anstatt die Regeln selbst in Frage zu stellen, erklärt er das Spiel für verloren und hasst die Mitspielerinnen.
/same/ Beide Positionen, so unterschiedlich sie wirken, verweigern sich der eigentlichen Aufgabe: anzuerkennen, dass das Spiel selbst sich geändert hat und dass die alten Herrschaftsregeln illegitim geworden sind. Es geht nicht darum, ein besserer „Alpha“ im alten System zu werden, sondern darum, ein neues, gerechteres und partnerschaftliches System zu schaffen. Ihre Rhetorik der Eigenverantwortung ignoriert die Machtstrukturen, die Ungleichheiten produzieren, und gibt am Ende doch wieder nur den Frauen die Schuld, wenn sie den selbsternannten „High-Value Man“ nicht als den Gott anerkennen, für den er sich hält. Sie ersetzen eine strukturelle Abhängigkeit durch den Zwang zur permanenten, narzisstischen Selbstbestätigung. Das ist keine Freiheit. Das ist ein Hamsterrad.
User404 (anonymer Gast): Herr Professor Wagner, Ihre Analyse ist elegant. Aber sie ist für mich so nützlich wie ein Architekturplan für ein brennendes Haus. Sie sprechen von „Patriarchat“ und „Privilegien“. Was wissen Sie oder ich von Privilegien? Das sind abstrakte Konzepte für Leute, die Zeit haben, darüber nachzudenken. Mein Leben besteht nicht aus Konzepten, es besteht aus Datenpunkten. Die Datenpunkte sind die Anzahl der Blicke, die ich von Frauen auf der Straße bekomme: null. Die Anzahl der Matches auf Dating-Apps: null. Die Anzahl der intimen Berührungen in meinem Leben: null. Sie können das „Zerfall des Patriarchats“ nennen. Ich nenne es die Enthüllung der biologischen Brutalität, die vorher durch soziale Konventionen wie die arrangierte Ehe oder den gesellschaftlichen Druck auf Frauen, einen Versorger zu heiraten, kaschiert wurde. Der Feminismus hat die Frauen nicht unterdrückt, er hat sie befreit – befreit, ihren primitivsten genetischen Instinkten zu folgen und ausschließlich die Männer an der Spitze der Hierarchie zu wählen. Der freie Markt, den Sie als Soziologe so oft analysieren, existiert auch sexuell. Und auf diesem freien Markt führt die Deregulierung zu Monopolen. Die Chads haben das Monopol. Der Rest von uns ist bankrott.
/same/ Ihre Kritik an Herrn Kaiser, er würde das Patriarchat wiederherstellen wollen, ist amüsant. Er versucht verzweifelt, in einem hypergam-liberalen System zu überleben, das von Frauen diktiert wird. Und Frau Dr. Roth, Ihre Rede von „Anerkennung“ ist der Gipfel der Naivität. Anerkennung von wem? Von denjenigen, die dich verachten? Soll ich zu einer Frau gehen und sagen: „Bitte erkenne mich in meiner präphallischen Wunde an“? Das ist absurd. Das ist eine Sprache, die nur in Ihren Therapieräumen funktioniert. In der realen Welt gibt es keine Anerkennung ohne Anziehung. Und Anziehung ist keine Entscheidung. Sie ist ein Reflex.
/same/ Sie alle analysieren die Software. Ihr redet über Kultur, über Gesellschaft, über Psyche. Ihr weigert euch, auf die Hardware zu schauen. Die Hardware ist der Körper, das Gesicht, die DNA. Die „Black Pill“ ist die Erkenntnis, dass die Software auf defekter Hardware läuft. Und man kann das Betriebssystem so oft neu aufsetzen, wie man will – wenn der Prozessor zu langsam ist, wird er nie die neuesten Spiele spielen können. Ihre Theorien sind Coping-Mechanismen für die Privilegierten, für die „Normies“, die noch glauben, sie könnten durch ein paar Software-Updates etwas ändern. Wir an der Unterseite wissen, dass die Maschine selbst eine Fehlkonstruktion ist. Ihr redet von einem „neuen, gerechteren System“. Das ist eine Fantasie. Es wird kein gerechteres System geben, weil die Ungerechtigkeit in unserer Biologie festgeschrieben ist. Und solange Sie das nicht anerkennen, ist Ihre gesamte Diskussion für uns, die wir am Boden der Realität leben, nichts weiter als eine bedeutungslose akademische Übung.
Alex Duke („Red Pill“-Stratege): User404 liefert mir die perfekte Vorlage. Sehen Sie, er ist der Beweis dafür, dass die Denkweise, die Mindset, alles ist. Er und ich sehen exakt dieselbe Welt. Wir beide erkennen die Hypergamie, wir beide erkennen die primäre Bedeutung der Anziehung, wir beide erkennen, dass die „nette Kerl“-Strategie Selbstmord ist. Wir stimmen in 90 Prozent der Diagnosen überein. Aber unsere Schlussfolgerungen könnten nicht unterschiedlicher sein. Er sieht diese Realität und sagt: „Ich bin verdammt.“ Ich sehe dieselbe Realität und sage: „Okay, interessant. Wie kann ich dieses System zu meinem Vorteil nutzen?“ Das ist der ganze Unterschied.
/same/ Herr Professor Wagner, Sie werfen Herrn Kaiser vor, das Patriarchat wiederherstellen zu wollen. Sie werfen mir vermutlich vor, ein zynischer Manipulator zu sein. Aber Sie übersehen, dass wir beide pragmatische Antworten auf das System geben, wie es ist, nicht, wie es Ihrer Meinung nach sein sollte. Sie können jahrzehntelang über die Ungerechtigkeit der Schwerkraft klagen. Sie ist trotzdem da. Ein Ingenieur klagt nicht, er studiert die Gesetze der Physik und baut ein Flugzeug, das die Schwerkraft überwindet. Ich bin dieser Ingenieur für Sozialdynamik.
/same/ Die „Red Pill“ ist nicht reaktionär. Sie ist adaptiv. Sie erkennt an, dass sich die Machtdynamiken verschoben haben. Frauen haben heute die sexuelle Auswahlmacht, das ist eine Tatsache. Ein Mann, der damit nicht umgehen kann, wird scheitern. Die alte patriarchale Strategie – sei ein guter Versorger, und du bekommst eine loyale Frau – funktioniert in einer Welt mit Dating-Apps, sozialen Medien und weiblicher ökonomischer Unabhängigkeit nur noch bedingt. Die neue Strategie muss auf der Währung basieren, die heute zählt: Anziehung, Begehren, ein aufregender Lebensstil.
/same/ Meine Arbeit besteht darin, Männern beizubringen, wie sie diese Währung generieren können. Das ist nicht manipulativ, das ist marktorientiert. Es geht darum, seinen eigenen Wert zu steigern und ihn effektiv zu kommunizieren. Und ja, das bedeutet zu verstehen, wie weibliche Psychologie funktioniert. Zu verstehen, dass Frauen auf Stärke und Unabhängigkeit reagieren, aber auch auf emotionale Stimulation, auf Humor, auf spielerische Provokation. Wenn Sie das „Manipulation“ nennen, dann ist jedes erfolgreiche Bewerbungsgespräch, jede Gehaltsverhandlung, jede Form von Werbung Manipulation.
/same/ User404 hat sich entschieden, seine schlechten Karten als Ausrede zu benutzen, um das Spiel gar nicht erst zu spielen. Herr Kaiser motiviert die Männer, so hart zu trainieren, dass sie auch mit schlechten Karten gewinnen können. Ich versuche, den Männern beizubringen, wie man blufft, wie man die Wahrscheinlichkeiten liest und wie man das Beste aus jedem Blatt macht, das man bekommen hat. Sie können das alles moralisch verurteilen. Aber am Ende des Tages werden die Männer zu demjenigen kommen, der ihnen hilft, Ergebnisse zu erzielen. Und das sind nicht die Soziologen, die über Strukturen klagen, oder die Psychoanalytiker, die über Kindheitstraumata reden. Das sind die Leute wie ich, die sagen: „Hier ist ein konkreter Plan. Lass uns anfangen.“
/note/ Die Moderatorin Dr. Neumann ergreift wieder das Wort, um die Diskussion in die nächste Phase zu lenken.

Dr. Eva Neumann (Moderatorin): Wir haben jetzt die ideologischen Fronten klar umrissen: Die Anklage der Biologie, die Verteidigung der Eigenverantwortung, die Pragmatik der Strategie und die Kritik an den zugrundeliegenden Strukturen. Ich möchte nun die spezifische Rolle des digitalen Raums in den Fokus rücken. Frau Dr. Brandt, wir hören von Herrn Duke, dass er Männern lediglich beibringt, das „Spiel zu spielen“. In Ihren Forschungen beschreiben Sie jedoch, wie diese „Spiele“ und Ideologien in digitalen Echokammern zu etwas viel Gefährlicherem eskalieren können. Wie genau funktioniert dieser Prozess?
Dr. Lena Brandt (Kultur- und Medienwissenschaftlerin): Herr Duke verwendet die Metapher des Ingenieurs, der die Gesetze der Physik nutzt. Das ist ein interessantes Bild, aber es ist unvollständig. Was in den digitalen Räumen der Manosphere passiert, ist eher so, als ob eine Gruppe von Ingenieuren in einem geschlossenen Raum sitzt, sich gegenseitig in ihren Annahmen über die Physik bestärkt und am Ende Pläne für Waffen entwickelt, während sie behaupten, nur Brücken bauen zu wollen. Der digitale Raum ist kein neutrales Werkzeug, er ist ein Verstärker und ein Radikalisierungsbeschleuniger.
/same/ Das beginnt mit dem Rabbit-Hole-Effekt, den ich bereits erwähnte. Ein junger Mann, der sich einsam fühlt, googelt vielleicht „Wie lerne ich Frauen kennen?“. Der Algorithmus von YouTube oder TikTok schlägt ihm vielleicht ein Video von Herrn Duke oder einem ähnlichen Coach vor. Das scheint hilfreich. Aber der Algorithmus lernt: „Dieser Nutzer interessiert sich für Dating-Tipps aus einer männlich-zentrierten Perspektive.“ Der nächste Vorschlag ist vielleicht schon ein Video von Herrn Kaiser, das erklärt, warum „Nettigkeit“ Schwäche ist. Kurz darauf folgt ein Video, das den Feminismus für die Scheidungsraten verantwortlich macht. Und ehe er sich versieht, landet er bei Inhalten, die von der „jüdischen Weltverschwörung“ sprechen, die angeblich hinter dem Feminismus steckt, um den weißen Mann zu schwächen. Das ist kein Zufall, das ist die Logik der algorithmischen Kuratierung, die auf Engagement optimiert ist – und extreme Inhalte erzeugen starkes Engagement.
/same/ Innerhalb dieser digitalen Echokammern greift dann der zweite Mechanismus: die Normalisierung durch Memes und Ironie. Herr Duke spricht von spielerischer Provokation. In der Praxis wird daraus oft eine Kultur, in der extremer Hass und Frauenverachtung als „edgy“ Humor oder „schwarzer Humor“ verpackt werden. Es werden Memes geteilt, die Vergewaltigung verharmlosen, Frauen als geistig unterlegen darstellen oder Gewalt gegen Feministinnen glorifizieren. Wenn man das kritisiert, lautet die Standardantwort: „Das ist doch nur ein Witz, verstehst du keinen Spaß?“ Diese ironische Distanz schafft eine Grauzone, in der die Grenzen zwischen Sagbarem und Unsagbarem systematisch verschoben werden. Der Hass wird zu einer Art subkulturellem Code, einem Insider-Witz. Aber die emotionale Wirkung – die ständige Konfrontation mit entmenschlichender Rhetorik – ist real. Sie vergiftet das Denken und senkt die Hemmschwelle für realen Hass.
/same/ Der dritte und gefährlichste Schritt ist die Verbindung mit dem organisierten Rechtsextremismus. Professor Wagner hat die ideologische Nähe bereits angedeutet. In der Praxis sieht das so aus, dass rechtsextreme Akteure gezielt in diesen Männerforen rekrutieren. Sie greifen die dort vorhandene Wut auf – die Wut auf Frauen, auf das „System“, auf den gefühlten Statusverlust – und bieten eine umfassende Erklärung an: den großen Sündenbock. Der Feminismus ist dann nicht mehr nur eine nervige Ideologie, sondern Teil des „großen Austauschs“. Die sexuelle Frustration des Incels wird politisiert und in den Dienst einer rassistischen Agenda gestellt. Die Attentäter von Halle oder Christchurch waren keine einsamen Wölfe. Sie waren aktive Mitglieder solcher Online-Communities, sie haben ihre Taten in der Sprache dieser Foren angekündigt und wurden von Teilen der Community als Helden gefeiert. Herr Duke mag also behaupten, er lehre nur pragmatische Strategien, aber er und Herr Kaiser schaffen mit ihren Inhalten das perfekte Einfallstor und den ideologischen Nährboden, auf dem diese viel radikaleren und gefährlicheren Bewegungen gedeihen können. Sie sind, ob sie es wollen oder nicht, Teil desselben toxischen Ökosystems.
Prof. Dr. Richard Steiner (Klassischer Psychoanalytiker): Frau Dr. Brandts Ausführungen zur Funktionsweise des digitalen Raums sind außerordentlich wichtig, weil sie uns den Schauplatz beschreiben, auf dem sich die psychischen Dramen unserer Zeit entfalten. Der digitale Raum ist, psychoanalytisch gesprochen, ein gigantischer Projektionsschirm und ein Raum der narzisstischen Spiegelung ohne korrigierende Instanz. Er ist der perfekte Ort für die ungehemmte Ausagierung primitiver Abwehrmechanismen.
/same/ Die Anonymität und die Entkörperlichung der Kommunikation im Internet führen zu einer massiven Schwächung des Über-Ichs, jener inneren Instanz, die unsere Triebe und Aggressionen im Zaum hält und uns an soziale Normen bindet. Online fällt diese Hemmung oft weg. Der Hass, der in den Foren geäußert wird, ist ein reines, ungebändigtes Es. Es ist die unmittelbare Entladung von Frustration und Aggression, die im realen Leben sanktioniert würde. Der Andere, die Frau, der Feminist, der „Chad“, ist kein reales Gegenüber mehr, kein Subjekt mit Gefühlen, sondern nur noch eine Chiffre, ein leeres Objekt für die eigene Projektion.
/same/ Nehmen wir die Meme-Kultur, die Frau Dr. Brandt beschrieb. Aus psychoanalytischer Sicht ist der Witz, wie Freud es in „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ darlegte, ein Ventil. Er erlaubt es, verdrängte aggressive oder sexuelle Wünsche in einer sozial akzeptierten Form auszudrücken. Der Witz umgeht die Zensur des Über-Ichs. Was wir in diesen Memes sehen, ist eine Pervertierung dieser Funktion. Der „Spaß“ ist hier keine harmlose Entladung mehr, sondern eine ständige, repetitive Bestätigung eines hasserfüllten Weltbildes. Die Ironie dient als Schutzmechanismus, um sich nicht mit der eigenen, oft mörderischen Aggression konfrontieren zu müssen. Der User kann sagen: „Ich bin es ja nicht wirklich, der das denkt, es ist nur ein Meme.“ Das ist eine Form der Spaltung: Der aggressive Teil des Selbst wird externalisiert und als etwas Fremdes, als Spiel, betrachtet. Doch durch die ständige Wiederholung wird dieser abgespaltene Teil immer stärker und normaler.
/same/ Der Algorithmus, der die Nutzer in den „Kaninchenbau“ zieht, funktioniert dabei wie ein schlechter Therapeut, der seinem Patienten immer nur das sagt, was er hören will. Er spiegelt und verstärkt die pathologische Weltsicht, anstatt sie in Frage zu stellen. Ein Mann, der sich gekränkt fühlt, findet online einen endlosen Chor von Stimmen, die ihm sagen: „Ja, du hast recht, du bist das Opfer, die Frauen sind schuld.“ Das ist eine permanente narzisstische Zufuhr, die das fragile Selbst kurzfristig stabilisiert, aber langfristig jede Entwicklung verunmöglicht. Jede Chance, die eigene Rolle in der eigenen Misere zu erkennen, wird im Keim erstickt. Der digitale Raum wird so zu einem Anti-Analyse-Raum: Statt Verdrängtes ins Bewusstsein zu heben und zu bearbeiten, wird das Bewusstsein mit Ideologien geflutet, die das Verdrängte rechtfertigen und glorifizieren. Die Männer in diesen Foren heilen nicht ihre Wunden, sie infizieren sie kollektiv mit dem hoch ansteckenden Virus der Ideologie.
Prof. Dr. Ben Wagner (Soziologe): Ich möchte den Punkt von Professor Steiner aufgreifen und auf die soziopolitische Ebene erweitern. Der digitale Raum ist nicht nur ein psychologischer Projektionsschirm, er ist eine politische Mobilisierungsmaschine. Was Frau Dr. Brandt als Verbindung zum Rechtsextremismus beschreibt, ist kein Zufallsprodukt, sondern eine strategische Allianz. Antifeminismus und Misogynie sind, soziologisch betrachtet, das Scharnier, das private Frustrationen in politische Ideologien überführt.
/same/ Die Wut des einzelnen Mannes über seine sexuelle oder soziale Zurückweisung ist zunächst ein privates Gefühl. Die Manosphere leistet den ersten Schritt der Politisierung, indem sie diese private Erfahrung zu einem kollektiven Schicksal erklärt: „Es liegt nicht an dir, es liegt am System, am Feminismus.“ Rechtsextreme Akteure gehen den entscheidenden zweiten Schritt: Sie definieren dieses „System“ um. Das „System“ ist dann nicht mehr nur eine vage „feminisierte Kultur“, sondern es bekommt einen Namen: Es sind die „Globalisten“, die „liberalen Eliten“, die „Kulturmarxisten“ und, in der letzten Konsequenz, oft antisemitisch kodiert, „die Juden“. Der Kampf gegen die Frau wird so zum Teil eines größeren, zivilisatorischen Kampfes um das Überleben der „eigenen Rasse“ und Nation.
/same/ Diese Allianz ist so erfolgreich, weil sie auf einer gemeinsamen strukturellen Grundlage beruht: der Sehnsucht nach einer klaren, hierarchischen Ordnung in einer als chaotisch und bedrohlich empfundenen modernen Welt. Sowohl die hegemoniale Männlichkeit als auch die faschistische Ideologie basieren auf der Vorstellung von natürlichen Hierarchien – zwischen Mann und Frau, zwischen der eigenen Gruppe und den „Anderen“, zwischen Stark und Schwach. Der Hass auf den Feminismus und der Hass auf die liberale Demokratie speisen sich aus derselben Quelle: der Ablehnung von Gleichheit, Pluralität und Aushandlungsprozessen. Beides wird als widernatürliche „Verweichlichung“ und als Zersetzung einer vermeintlich gesunden, organischen Ordnung gesehen.
/same/ Die Memes, von denen wir sprechen, sind in diesem Kontext mehr als nur Witze. Sie sind kulturelle Guerilla-Taktiken. Sie dienen dazu, die Deutungshoheit im digitalen Raum zu erobern. Jedes „Virgin vs. Chad“-Meme, das geteilt wird, ist eine kleine, alltägliche Abstimmung für eine Welt der Hierarchie und gegen eine Welt der Gleichheit. Es ist eine Form des kulturellen Klassenkampfes von unten, geführt von denen, die sich als die Verlierer der Modernisierung sehen. Wenn Herr Duke sagt, er sei nur ein pragmatischer Ingenieur, dann ignoriert er, dass die „Physik“, die er zu nutzen vorgibt, in Wahrheit eine zutiefst politische Ideologie ist. Er liefert die vermeintlich unpolitische, „naturwissenschaftliche“ Legitimation für ein reaktionäres politisches Projekt. Das macht seine Position und die der gesamten „Red Pill“-Szene so gefährlich: Sie tarnen eine zutiefst politische Agenda als unpolitische Lebenshilfe und werden so zu nützlichen Idioten oder, in vielen Fällen, zu bewussten Wegbereitern für antidemokratische Kräfte.
Dr. Clara Roth (Intersubjektive/Relationale Psychoanalytikerin): Ich möchte auf das zurückkommen, was Sie beide gesagt haben. Herr Kaiser, Sie sprachen von der „einzigen Realität, die zählt“ – der Selbstermächtigung. Herr Duke, Sie sprachen von der „rohen, unveränderlichen Realität“ der zwischengeschlechtlichen Dynamik. Ich finde diese Betonung der „Realität“ bemerkenswert, denn aus meiner Sicht beschreiben Sie beide keine Realität, sondern eine Phantasie über die Realität. Es ist eine Phantasie, die auf einer fundamentalen Angst vor Beziehung und gegenseitiger Abhängigkeit beruht.
/same/ Ihre gesamte Weltsicht, so unterschiedlich sie im Detail sein mag, basiert auf dem Ideal eines autarken, beziehungslosen Mannes. Der Alpha-Mann von Herrn Kaiser ist ein einsamer König auf seinem Berg aus Geld und Muskeln. Er braucht niemanden, er wird nur bewundert. Die Frauen in seinem Leben sind austauschbare Statussymbole, keine Subjekte, die ihn verändern oder verletzen könnten. Der „Red Pill“-Stratege von Herrn Duke ist ein einsamer Spieler, der die Welt von außen betrachtet und die Züge der anderen berechnet. Er tritt nicht in eine echte, reziproke Beziehung ein; er führt eine Operation durch. Er will die Frau nicht kennenlernen, er will sie knacken, wie ein Schloss. In beiden Phantasien wird die Möglichkeit einer echten, wechselseitigen Begegnung, in der man sich dem Anderen öffnet, sich verletzlich macht und sich potenziell verändern lässt, systematisch vermieden. Es ist die Apotheose der Abwehr.
/same/ Was Sie als Stärke verkaufen – die emotionale Kontrolle, die Unabhängigkeit, die strategische Distanz –, ist aus relationaler psychoanalytischer Sicht eine pathologische Form der Dissoziation. Es ist die Abspaltung der eigenen Bedürfnisse nach Nähe, Trost, Anerkennung und emotionaler Wärme. Weil diese Bedürfnisse, wie ich bereits sagte, mit der traumatischen Erfahrung der frühen Ohnmacht verknüpft sind, werden sie als tödliche Gefahr erlebt. Eine echte Beziehung zu einer Frau wäre die größte Bedrohung für dieses fragile, gepanzerte Selbst, denn sie würde unweigerlich diese alten Wunden berühren. Sie würde die eigene Bedürftigkeit wieder spürbar machen. Deshalb muss die Frau zum Objekt, zur Trophäe, zum strategischen Ziel oder, im Falle von User404, zum monströsen Feind gemacht werden. Alles, nur nicht zu einem Gegenüber, das einen wirklich berühren könnte.
/same/ Sie verkaufen den Männern keine Stärke, Sie verkaufen ihnen eine Überlebensstrategie für Traumatisierte. Sie lehren sie, wie man in einer Welt, die man als feindlich und unberechenbar erlebt, überlebt, indem man sich emotional tot stellt. Das mag kurzfristig den Schmerz lindern, aber es verhindert langfristig jede Möglichkeit von Heilung, Wachstum und echtem Glück, das immer nur in der reziproken Beziehung zu anderen Subjekten zu finden ist. Die tragische Ironie ist, dass Sie, indem Sie die Männer lehren, ihre Verletzlichkeit zu verleugnen, genau jene Leere und Einsamkeit perpetuieren, die die Männer überhaupt erst zu Ihnen treibt. Sie verkaufen eine Medizin, die die Symptome lindert, indem sie die Krankheit chronisch macht.
/note/ Leo Kaiser richtet sich auf, seine Miene ist angespannt. Er erwidert den direkten Blick von Dr. Roth mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Zorn.

Leo Kaiser („Alpha-Male“-Coach): Frau Dr. Roth, was Sie da beschreiben, ist die arroganteste Form der intellektuellen Herablassung, die ich je gehört habe. Sie sitzen in Ihrem sicheren, akademischen Sessel und diagnostizieren Millionen von Männern, die nach Stärke und Sinn suchen, als „traumatisiert“ und „pathologisch dissoziiert“. Sie nehmen unseren legitimen Wunsch nach Autonomie, nach Leistung, nach dem Überwinden von Schwäche und stempeln ihn als „Angst vor Beziehung“ ab. Das ist nicht nur falsch, es ist eine Beleidigung. Sie pathologisieren Männlichkeit selbst.
/same/ Wissen Sie, was ich als Pathologie betrachte? Ich betrachte es als Pathologie, wenn ein Mann seine Träume aufgibt, um die Erwartungen einer Frau zu erfüllen. Ich betrachte es als Pathologie, wenn ein Mann seinen Selbstrespekt verliert, weil er seine emotionale Stabilität von der Bestätigung durch eine andere Person abhängig macht. Ich betrachte es als Pathologie, wenn ein Mann in einer unglücklichen, sexlosen Beziehung verharrt, aus Angst vor dem Alleinsein. Das ist die „relationale Realität“, die Ihre Theorien produzieren: eine Generation von abhängigen, bedürftigen Männern, die ihre eigene Mission im Leben vergessen haben, weil sie gelernt haben, dass Beziehung alles ist.
/same/ Sie sprechen von „echter, wechselseitiger Begegnung“. Was ist das für eine romantische Fiktion? Eine Beziehung zwischen Mann und Frau ist fundamental asymmetrisch, weil unsere biologischen Imperative asymmetrisch sind. Ein Mann ist darauf programmiert zu schützen, zu versorgen und aufzubauen. Eine Frau ist darauf programmiert, sich den stärksten, fähigsten Mann zu suchen, der diesen Schutz garantieren kann. Das ist die Grundlage. Respekt und Liebe können auf dieser Grundlage wachsen, aber nur, wenn die Grundlage stabil ist. Und diese Grundlage wird von der Stärke und Unabhängigkeit des Mannes gebildet. Ein Mann, der sich, wie Sie es fordern, „verletzlich macht“, signalisiert Schwäche. Und Schwäche ist das größte Aphrodisiakum, das die Natur kennt – für eine andere Frau, die sich dann seinen stärkeren Konkurrenten sucht.
/same/ Sie werfen mir vor, ich würde Männer lehren, sich emotional tot zu stellen. Das ist eine böswillige Verdrehung. Ich lehre sie emotionale Disziplin. Es gibt einen gewaltigen Unterschied. Emotionale Disziplin bedeutet nicht, keine Gefühle zu haben. Es bedeutet, dass man seine Gefühle beherrscht und nicht von ihnen beherrscht wird. Es bedeutet, dass man auch unter Druck rational und handlungsfähig bleibt. Es bedeutet, dass man seine Partnerin mit seiner stoischen Ruhe beruhigen kann, anstatt sie mit der eigenen emotionalen Inkontinenz zu belasten. Das ist die Essenz reifer Männlichkeit. Das, was Sie „emotionale Offenheit“ nennen, ist in der Praxis oft nichts anderes als unkontrolliertes, kindisches Ausagieren von Bedürftigkeit, das jede Anziehung zerstört.
/same/ Sie und Ihre Kollegen sind die wahren Verkäufer einer Illusion. Sie verkaufen die Illusion, dass Männer und Frauen gleich seien, dass unsere evolutionär geprägten Gehirne durch soziale Theorien umgeschrieben werden können und dass man eine stabile Gesellschaft auf den Treibsand flüchtiger Gefühle und permanenter Verhandlungen bauen kann. Ich hingegen baue auf das Fundament der Realität. Und ja, diese Realität ist hart. Sie erfordert Arbeit. Sie erfordert Opfer. Aber sie führt zu echter, verdienter Stärke. Und ein Mann, der diese Stärke in sich selbst gefunden hat, kann ein großartiger Partner sein. Aber er ist es aus einer Position der Fülle, nicht aus einer Position der Leere und Bedürftigkeit, die Sie als Ideal zu verklären scheinen.
Alex Duke („Red Pill“-Stratege): Frau Dr. Roths Analyse hat einen wunden Punkt getroffen, aber nicht den, den sie meint. Sie hat recht, wenn sie sagt, dass unsere Ansätze die emotionale Verletzlichkeit minimieren sollen. Natürlich tun sie das. Das ist kein Fehler im System, das ist das zentrale Feature. Verletzlichkeit in einem kompetitiven Umfeld ist ein strategischer Nachteil. Punkt. Das ist in der Wirtschaft so, in der Politik und erst recht in der Dynamik der Partnersuche.
/same/ Ihre Kritik basiert auf einer Prämisse, die ich für fundamental falsch halte: die Annahme, dass das Ziel einer romantischen Beziehung primär „Heilung“ oder „wechselseitige psychische Transformation“ sei. Das ist Therapeutensprache, das ist nicht die Sprache des Lebens. Das primäre Ziel für die meisten Menschen ist die Maximierung ihres Glücks, ihrer Sicherheit und ihrer Fortpflanzungschancen. Und Anziehung ist der Mechanismus, der dieses Ziel steuert.
/same/ Sie werfen mir vor, ich würde Frauen zu „Schlössern“ machen, die man „knacken“ muss. Lassen Sie uns die Metapher umdrehen: Eine Frau ist die knallharte Personalerin eines Top-Unternehmens. Sie hat Hunderte von Bewerbern. Sie wird nicht denjenigen einstellen, der am verletzlichsten von seinen Kindheitstraumata erzählt. Sie wird denjenigen einstellen, der die höchste Kompetenz, das größte Selbstvertrauen und den beeindruckendsten Lebenslauf vorweisen kann. Ist diese Personalerin böse? Nein, sie macht ihren Job. Sie maximiert den Wert für ihr Unternehmen. Hypergamie ist nichts anderes.
/same/ Meine Aufgabe ist es, Männern beizubringen, wie sie die perfekte Bewerbung schreiben. Wie sie im Vorstellungsgespräch überzeugen. Und ja, dazu gehört auch, die eigenen Schwächen nicht unaufgefordert auf den Tisch zu legen. Das ist keine „Dissoziation“, das ist strategische Klugheit. Sie können das zynisch finden. Ich finde es realistisch. Die Welt ist kein Therapieraum. Und Männer, die sie so behandeln, werden scheitern. Sie werden vielleicht von ihrer Therapeutin „anerkannt“, aber sie werden von den Frauen, die sie begehren, abgelehnt. Und am Ende des Tages ist für die meisten Männer letzteres entscheidender für ihre Lebenszufriedenheit. Ich verkaufe keine „chronische Krankheit“. Ich verkaufe eine Impfung gegen die Naivität, die Ihre Theorien in die Welt setzen.
Prof. Dr. Ben Wagner (Soziologe): Und genau hier, Herr Duke, liegt der Denkfehler, der all Ihren „realistischen“ und „pragmatischen“ Ansätzen zugrunde liegt. Sie tun so, als ob die „Spielregeln“, die Sie so brillant zu analysieren vorgeben, Naturgesetze wären, so unveränderlich wie die Schwerkraft. Aber das sind sie nicht. Sie sind soziale Normen. Sie sind das Ergebnis historischer Machtverhältnisse, ökonomischer Strukturen und kultureller Konventionen. Und weil sie gemacht sind, sind sie auch veränderbar.
/same/ Die „weibliche Psychologie“, auf die Sie und Herr Kaiser sich ständig berufen, ist keine zeitlose Essenz. Sie ist das Produkt einer jahrtausendelangen Anpassung an eine patriarchale Gesellschaft, in der die ökonomische und soziale Sicherheit von Frauen vom Status des Mannes abhing. Natürlich entwickelte sich unter diesen Bedingungen eine Strategie, die man als Hypergamie beschreiben kann! Es war eine rationale Überlebensstrategie. Aber in dem Moment, in dem Frauen Zugang zu Bildung, eigenem Einkommen und rechtlicher Gleichstellung haben, beginnen sich diese Strategien und Präferenzen zu verändern und zu diversifizieren. Es gibt nicht mehr die eine weibliche Strategie.
/same/ Was Sie tun, ist, die Verhaltensmuster einer Übergangsgesellschaft zu nehmen, sie zu verabsolutieren, zu naturalisieren und daraus ein ewiges Gesetz zu schmieden. Sie sind nicht der Ingenieur, der die Physik studiert. Sie sind der Alchemist, der die Konventionen seiner Zeit für die geheime Formel des Universums hält.
/same/ Und das hat verheerende politische Konsequenzen. Indem Sie diese Normen als unveränderlich darstellen, arbeiten Sie aktiv gegen ihre Veränderung. Sie sagen den Männern: „Passt euch an das ungerechte System an, werdet die besten Spieler in einem manipulativen Spiel.“ Wir, die kritischen Sozialwissenschaftler und, wie ich denke, auch Frau Dr. Roth, sagen etwas Radikaleres: „Lasst uns das Spiel selbst ändern!“ Lasst uns eine Gesellschaft schaffen, in der Männer nicht gezwungen sind, eine Rüstung zu tragen, und Frauen nicht gezwungen sind, nach dem stärksten Ritter Ausschau zu halten. Lasst uns eine Gesellschaft der Partnerschaftlichkeit schaffen, in der Fürsorge, Empathie und Verletzlichkeit keine strategischen Nachteile, sondern menschliche Stärken sind – für alle Geschlechter.
/same/ Ihre Position ist zutiefst konservativ, ja reaktionär, weil sie jede Möglichkeit von Fortschritt und sozialem Wandel leugnet und stattdessen eine zynische Anpassung an die als ewig dargestellten Machtverhältnisse predigt. Sie bieten keine Lösung für die „Krise der Männlichkeit“, Sie sind ein Symptom dieser Krise. Sie sind die Verwalter des Status quo in einer Zeit, die nach seiner Überwindung schreit.
/note/ Dr. Roth nickt Prof. Wagner bestätigend zu und ergreift dann selbst das Wort, ihre Stimme ist nun ruhiger, aber analytisch scharf.
Dr. Clara Roth (Intersubjektive/Relationale Psychoanalytikerin): Professor Wagner hat den entscheidenden Punkt benannt: die Verwechslung von historisch gewachsenen sozialen Normen mit ewigen Naturgesetzen. Ich möchte dies auf die psychologische Ebene zurückführen. Herr Kaiser, Herr Duke, Sie beide errichten ein Denkgebäude, das auf der Angst vor Veränderung beruht. Ihre Systeme bieten eine Illusion von Kontrolle in einer Welt, in der die alten Gewissheiten über Männlichkeit und Weiblichkeit tatsächlich ins Wanken geraten sind. Sie versprechen eine Formel, eine Technik, einen Trainingsplan – etwas Greifbares, das man tun kann, um die unerträgliche Angst vor der Unberechenbarkeit des Anderen, des Lebens, zu bewältigen.
/same/ Doch diese Kontrolle ist teuer erkauft. Der Preis ist die Abtötung der eigenen Lebendigkeit. Ein Mann, der ständig seine Emotionen diszipliniert, um ein stoisches Ideal zu erfüllen, wie Herr Kaiser es beschreibt, verliert den Kontakt zu seinem inneren Kompass. Er spürt sich selbst nicht mehr. Er wird zu einem funktionierenden, aber leeren Panzer. Ein Mann, der jede Interaktion mit einer Frau als strategisches Spiel betrachtet, wie Herr Duke es lehrt, kann niemals die Erfahrung machen, sich fallen zu lassen, wirklich überrascht zu werden, sich in einem Moment authentischer Verbindung zu verlieren. Er bleibt immer der Beobachter, der Spieler, der Manipulator – und damit fundamental einsam, selbst im Moment des vermeintlichen „Erfolgs“.
/same/ Ihre Philosophien sind im Kern zutiefst anti-relational. Sie basieren auf der Prämisse, dass das Selbst in Isolation geschmiedet wird und dann in die Welt tritt, um sie zu erobern oder zu managen. Die intersubjektive Psychoanalyse, und ich denke auch die moderne Entwicklungspsychologie, zeigt uns jedoch das genaue Gegenteil: Das Selbst entsteht und entwickelt sich in und durch Beziehungen. Wir werden zu dem, was wir sind, in der spiegelnden Anerkennung durch den Anderen. Wenn diese spiegelnde Beziehung – beginnend bei der Mutter – von Angst, Kontrolle oder Negation geprägt ist, entsteht ein beschädigtes Selbst. Ihre Ansätze sind keine Heilung für diese Beschädigung, sie sind die Fortsetzung der Pathologie mit anderen Mitteln. Sie ersetzen die Abhängigkeit von der Mutter durch die Abhängigkeit vom Fitnesslevel, vom Kontostand oder von der Anzahl der „Eroberungen“. Die zugrundeliegende, ungestillte Sehnsucht nach echter, bedingungsloser Anerkennung bleibt unberührt.
/same/ Und dies führt uns zu einem Punkt, den wir bisher nur gestreift haben: die Frage nach der Vielfalt. Ihre Modelle, Herr Kaiser und Herr Duke, sind extrem normativ. Sie präsentieren ein singuläres Ideal von erfolgreicher Männlichkeit. Was ist mit den Männern, die diesem Ideal nicht entsprechen können oder wollen? Was ist mit den Männern, die nicht heterosexuell sind? Was ist mit den Männern, deren Stärken nicht in physischer Dominanz oder strategischer Kälte liegen, sondern in Kreativität, Empathie oder sozialer Kompetenz? Sie werden in Ihrem System als „Betas“, als Verlierer, abgewertet. Sie reproduzieren eine brutale Hierarchie, die genauso viele Männer ausschließt und verletzt, wie sie vorgibt zu retten. Ihre Bewegung ist keine Befreiung für Männer, sie ist die Errichtung eines neuen, noch engeren Käfigs.
User404 (anonymer Gast): Der Käfig… Frau Dr. Roth, Sie kommen der Wahrheit näher, aber Sie ziehen die falschen Schlüsse. Ja, es ist ein Käfig. Aber dieser Käfig wurde nicht von Herrn Kaiser oder Herrn Duke gebaut. Er wurde von der Biologie gebaut. Sie sprechen von „Vielfalt“ und „Kreativität“. Das sind schöne Worte für eine Welt, die nicht existiert. In der realen Welt, in der Welt der sexuellen Selektion, gibt es keine Trostpreise für Kreativität oder Empathie. Die Währung ist genetische Fitness, signalisiert durch körperliche Attraktivität.
/same/ Sie und Professor Wagner sprechen von einer sich wandelnden Gesellschaft, von neuen Möglichkeiten. Aber was ändert sich denn wirklich? Die ökonomische Unabhängigkeit der Frauen, die Sie feiern, hat die Sache für Männer wie mich nur schlimmer gemacht. Früher musste eine Frau vielleicht einen Mann heiraten, der nicht attraktiv, aber ein guter Versorger war. Dieser soziale Vertrag ist aufgekündigt. Heute kann sie sich den Versorger nehmen, den sie braucht – den Staat, ihren eigenen Job – und den Liebhaber, den sie will – den Chad. Der moderne Feminismus, den Sie als Befreiung preisen, ist für die Männer am unteren Ende der Attraktivitätsskala die endgültige sexuelle Enteignung.
/same/ Sie werfen den anderen vor, sie würden Männer ausschließen. Aber das System, das Sie verteidigen, schließt uns auf die fundamentalste Weise aus, die es gibt: Es verweigert uns die Chance auf Fortpflanzung, auf Intimität, auf eine Familie. Sie sprechen von „Caring Masculinity“. Zeigen Sie mir die Studien, die belegen, dass Frauen sich massenhaft zu den fürsorglichen, empathischen Männern hingezogen fühlen, wenn ein attraktiverer, dominanterer Mann verfügbar ist. Sie werden sie nicht finden. Das sind Wunschträume einer akademischen Klasse, die es sich leisten kann, die biologische Realität zu ignorieren.
/same/ Ihre Kritik an den anderen mag zutreffen. Herr Kaiser verkauft eine Hoffnung, die für viele unerreichbar ist. Herr Duke verkauft eine Technik, die nur funktioniert, wenn man bereits die grundlegenden Voraussetzungen erfüllt. Aber zumindest erkennen sie an, dass es einen brutalen Wettbewerb gibt. Sie erkennen an, dass es Gewinner und Verlierer gibt. Sie, Frau Dr. Roth und Herr Wagner, versuchen uns weiszumachen, dass wir alle einfach nur am Spiel teilnehmen müssen, und dann wird es schon irgendwie gut. Das ist nicht nur naiv, es ist grausam. Es ist die Verleugnung unseres realen Leidens. Wir sind der lebende Beweis dafür, dass Ihre Theorien von sozialer Konstruktion und unendlicher Fluidität an der harten Wand der biologischen Realität zerschellen.

Prof. Dr. Richard Steiner (Klassischer Psychoanalytiker): Und hier, genau an diesem Punkt, müssen wir innehalten. User404, Sie sagen, wir würden Ihr Leiden verleugnen. Ich versichere Ihnen, das Gegenteil ist der Fall. Die Psychoanalyse ist vielleicht die einzige Disziplin, die das subjektive Leiden in seiner ganzen Tiefe ernst nimmt, ohne es sofort mit soziologischen oder biologischen Allgemeinplätzen zuzudecken. Aber wir müssen unterscheiden zwischen dem Leiden selbst und der Theorie, die sich das Subjekt über sein Leiden bildet.
/same/ Ihr Leiden ist zweifellos real. Die Erfahrung von Ablehnung, von Einsamkeit, von Nicht-Begehrt-Werden ist eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann. Aber die Theorie, die Sie daraus ableiten – die Theorie der „Black Pill“, des biologischen Determinismus –, ist, wie ich anfangs sagte, eine Abwehr. Es ist eine intellektuelle Rüstung, die Sie vor einem noch tieferen Schmerz schützen soll: dem Schmerz der eigenen psychischen Realität.
/same/ Es ist unendlich viel schmerzhafter, sich der Möglichkeit zu stellen, dass die eigene Unfähigkeit, eine Beziehung einzugehen, mit inneren Konflikten, mit unbewussten Ängsten, mit internalisierten negativen Objekten oder mit einer tiefen Störung der Fähigkeit zu lieben und geliebt zu werden zusammenhängt, als zu sagen: „Es ist mein Kieferknochen.“ Die biologische Erklärung entlastet Sie von der unerträglichen Last der eigenen Psyche. Sie macht aus einem komplexen, schmerzhaften inneren Problem ein einfaches, unlösbares äußeres Problem.
/same/ Ihre Fixierung auf die Biologie ist, psychoanalytisch gedeutet, eine Regression auf eine fast vormenschliche Ebene. Sie leugnen die gesamte symbolische Ordnung – die Welt der Sprache, der Kultur, der Bedeutung, der Liebe, des Hasses –, die uns zu Menschen macht. Sie reduzieren das menschliche Drama auf den tierischen Paarungskampf. Das ist die ultimative narzisstische Verteidigung: Wenn die Welt der menschlichen Beziehungen mir nur Schmerz bereitet, dann erkläre ich diese Welt für eine Illusion und ziehe mich auf die scheinbar objektive, aber tote Welt der „Fakten“ und „Daten“ zurück.
/same/ Die Tragödie ist, dass Sie sich damit selbst die Möglichkeit nehmen, Ihr Leiden jemals zu überwinden. Solange Sie an Ihrer Theorie festhalten, sind Sie tatsächlich gefangen. Nicht, weil die Theorie wahr ist, sondern weil Ihr Glaube an die Theorie Sie daran hindert, die wahren, unbewussten Ursachen Ihres Schmerzes zu erforschen und zu bearbeiten. Sie sind nicht der Gefangene Ihrer Gene. Sie sind der Gefangene Ihrer Abwehr. Und der erste Schritt zur Befreiung wäre, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass Ihre Theorie über die Welt vielleicht nicht die Wahrheit ist, sondern der schmerzhafteste Teil Ihrer Symptomatik.
/note/ Die Worte von Professor Steiner hallen im Studio nach. User404 bleibt stumm, ein Symbol für die scheinbar unüberbrückbare Kluft. Die Moderatorin erkennt, dass an diesem Punkt ein Perspektivwechsel notwendig ist, um die Diskussion voranzubringen.
Dr. Eva Neumann (Moderatorin): Wir haben nun eine tiefe Kluft zwischen den psychologischen Deutungen und den gelebten Erfahrungen und Weltanschauungen gehört. Ich möchte die Diskussion an dieser Stelle erweitern. Unsere gesamte bisherige Debatte, so konträr sie auch war, bewegte sich implizit in einem binären Geschlechtersystem. Sie sprach von Männern und Frauen, von männlicher und weiblicher Psychologie. Frau Dr. Roth, Sie forschen auch zu queeren Theorien und der Psychoanalyse. Wie verändern trans- und nicht-binäre Perspektiven diese oft starre Landkarte? Stellen sie die Grundannahmen aller hier anwesenden Positionen in Frage?
Dr. Clara Roth (Intersubjektive/Relationale Psychoanalytikerin): Das ist eine absolut entscheidende Frage, Frau Dr. Neumann, denn sie sprengt den Rahmen, in dem wir uns bisher bewegt haben. Und ja, die Existenz und die gelebte Realität von trans* und nicht-binären Menschen sind der ultimative Prüfstein und in vielerlei Hinsicht der Stolperstein für alle hier vorgestellten Modelle – für die klassischen, die soziologischen und erst recht für die rigiden Ideologien der Manosphere.
/same/ Beginnen wir bei der klassischen Psychoanalyse von Professor Steiner. Die Theorie des Ödipus-Komplexes und der Kastrationsangst ist zutiefst an die anatomische Differenz gebunden: Penis oder kein Penis. Daraus leitet sich eine ganze Kaskade von Annahmen über Aktivität, Passivität, Begehren und Identität ab. Eine trans* Frau, die bei der Geburt als männlich gelesen wurde, aber eine weibliche Identität hat, oder ein trans* Mann, der als weiblich gelesen wurde, aber eine männliche Identität lebt, demontiert diese direkte Koppelung von Anatomie und psychischem Schicksal. Sie zeigen uns, dass Geschlechtsidentität ein zutiefst innerer, subjektiver Prozess ist, der nicht einfach aus dem Körper abgeleitet werden kann. Die neuere Psychoanalyse, etwa mit Theoretikerinnen wie Patricia Gherovici oder Ken Corbett, versucht darauf zu reagieren. Gherovici (2017) spricht von der Transition als einem „kreativen Sinthom“, einer subjektiven Lösung, um ein unerträgliches Leid zu bewältigen. Corbett (2009) betont die „Gender Creativity“ von Kindern, ihre Fähigkeit, Geschlecht spielerisch zu erfinden und zu gestalten. Das ist eine radikale Abkehr von der alten Pathologisierung.
/same/ Aber die Herausforderung geht noch tiefer und trifft die soziologische Analyse von Professor Wagner. Sein Modell der hegemonialen Männlichkeit ist zwar extrem wertvoll, um Machtstrukturen zu beschreiben, aber es läuft Gefahr, Männlichkeit und Weiblichkeit als stabile, wenn auch sozial konstruierte, Pole vorauszusetzen. Trans
und nicht-binäre Identitäten zeigen, dass die Kategorien selbst instabil und porös sind. Sie zwingen uns zu fragen: Was genau ist Männlichkeit, wenn sie nicht an einen bestimmten Körper, eine bestimmte soziale Rolle oder eine bestimmte sexuelle Orientierung gebunden ist? Sie dekonstruieren die scheinbare Natürlichkeit der binären Geschlechterordnung, auf der auch die Kritik am Patriarchat oft noch aufbaut.
/same/ Am verheerendsten ist die Herausforderung jedoch für die Ideologien von Herrn Kaiser, Herrn Duke und User404. Ihr gesamtes Weltbild beruht auf einem radikalen biologischen Essentialismus. Sie behaupten, es gäbe eine ewige, unveränderliche männliche und weibliche „Natur“, die in den Genen, den Hormonen, dem evolutionären Erbe festgeschrieben sei. Eine Person, die ihr Geschlecht transitiv gestaltet, die also aktiv in ihre Biologie eingreift, um sie mit ihrer inneren Identität in Einklang zu bringen, ist der lebende Gegenbeweis zu diesem Determinismus. Sie ist ein Albtraum für diese Ideologien. Deshalb ist die Transphobie in der Manosphere auch so extrem virulent. Eine trans* Frau wird dort nicht als Frau, sondern als Mann gesehen, der seine Männlichkeit verraten hat. Ein trans* Mann wird oft ignoriert oder als verwirrte Frau abgetan. Nicht-binäre Identitäten werden als dekadenter Unsinn einer liberalen Elite verspottet. Warum? Weil die Anerkennung ihrer Existenz das gesamte Fundament der biologistischen Argumentation zum Einsturz bringen würde. Wenn Geschlecht nicht starr und angeboren ist, dann bricht die gesamte Legitimation für eine „natürliche“ männliche Dominanz und eine „naturgegebene“ weibliche Unterordnung zusammen.
/same/ Trans* und nicht-binäre Perspektiven sind also keine Randnotiz. Sie sind der Katalysator, der uns zwingt, unsere tiefsten Annahmen über Geschlecht zu hinterfragen. Für Männer, auch für cis-Männer, liegt darin eine immense Befreiungschance: Wenn Männlichkeit nicht mehr an eine starre biologische oder soziale Norm gekettet ist, dann muss sie auch nicht mehr durch die rigide Abwehr des „Weiblichen“ oder des „Anderen“ verteidigt werden. Sie kann zu etwas Persönlichem, etwas Individuellem, etwas Fluidem werden. Sie kann Fürsorglichkeit, Verletzlichkeit und Stärke beinhalten. Sie kann heterosexuell, homosexuell, bisexuell oder asexuell gelebt werden. Sie hört auf, ein Käfig zu sein, wie wir es nannten, und wird zu einem offenen Raum der Möglichkeiten.
Leo Kaiser („Alpha-Male“-Coach): Ein offener Raum der Möglichkeiten… Frau Dr. Roth, das ist die poetische Umschreibung für Chaos, Beliebigkeit und den totalen Verlust jeglicher Identität. Was Sie als „Befreiung“ verkaufen, ist in Wahrheit die Auflösung. Die Auflösung von Familie, von Kultur, von biologischer Realität. Es ist der Gipfel der postmodernen Dekadenz.
/same/ Ihre Argumentation ist ein klassischer Strohmann. Niemand von uns behauptet, dass ein Mann, nur weil er einen Penis hat, automatisch ein starker, wertvoller Mann ist. Das ist ja gerade mein Punkt! Die meisten Männer vergeuden ihr biologisches Potenzial. Aber die Biologie setzt den Rahmen, sie definiert das Potenzial. Ein Mann ist biologisch dazu fähig, Muskeln aufzubauen, Risiken einzugehen, Testosteron zu produzieren, das ihn antreibt. Eine Frau ist biologisch dazu fähig, Kinder zu gebären. Das sind keine sozialen Konstrukte, das sind Fakten. Und diese Fakten haben Konsequenzen für unsere Psychologie und unser Verhalten.
/same/ Die Existenz einer winzigen Minderheit von Menschen, die an einer tiefen Verwirrung bezüglich ihrer Geschlechtsidentität leiden – was man medizinisch als Geschlechtsdysphorie bezeichnet –, widerlegt doch nicht die biologische Realität für 99,9 Prozent der Menschheit. Das ist so, als würde man sagen, weil es Menschen mit Anorexie gibt, sei das menschliche Bedürfnis nach Nahrung ein soziales Konstrukt. Das ist absurd. Was in der aktuellen Debatte passiert, ist, dass eine pathologische Ausnahme zur neuen Norm erklärt wird, um eine politische Agenda voranzutreiben. Und diese Agenda zielt auf die Zerstörung der komplementären Binarität von Mann und Frau, die das Fundament jeder stabilen Zivilisation ist.
/same/ Sie sagen, das sei eine „Befreiungschance“ für Männer. Was für eine Befreiung soll das sein? Die Befreiung von unserer Stärke? Die Befreiung von unserer Verantwortung? Die Befreiung von unserer Identität? Was Sie anbieten, ist keine Männlichkeit der Möglichkeiten, sondern die Abschaffung der Männlichkeit. Es ist der Versuch, aus Männern asexuelle, androgyne Drohnen zu machen, die perfekt in ein kollektivistisches, staatsgesteuertes System passen. Ich lehne das radikal ab. Ich stehe für eine Männlichkeit, die in der biologischen Realität verankert ist, die ihre Natur annimmt und sie zur Exzellenz kultiviert. Und ja, diese Männlichkeit ist binär. Sie ist komplementär zur Weiblichkeit. Und sie ist die einzige, die stark genug ist, eine Familie zu gründen, eine Gemeinschaft zu schützen und eine Zukunft aufzubauen. Alles andere ist ein gefährliches soziales Experiment, dessen katastrophale Folgen wir bereits heute sehen.
Alex Duke („Red Pill“-Stratege): Ich stimme Leo in der Sache zu, aber ich würde es anders formulieren. Frau Dr. Roth, Sie begehen einen Kategorienfehler. Sie vermischen die individuelle Reise der Selbstfindung mit den systemischen Regeln der sexuellen Anziehung auf dem breiten Markt.
/same/ Mag sein, dass es für eine einzelne Person befreiend sein kann, sich als nicht-binär zu identifizieren. Das ist eine persönliche Entscheidung, die ich nicht bewerte. Aber für den Mann, der zu mir kommt, weil er verzweifelt ist und keine Frau findet, ist diese Debatte vollkommen irrelevant. Sie ist eine akademische Luxusdiskussion. Ihm zu sagen, er solle seine „Männlichkeit fluid gestalten“, ist, als würde man einem hungernden Mann einen Vortrag über die Philosophie der Ernährung halten, anstatt ihm ein Steak zu geben.
/same/ Meine Aufgabe ist es, Männern zu helfen, im Hier und Jetzt, in der Gesellschaft, wie sie ist, sexuell erfolgreich zu sein. Und in dieser Gesellschaft operiert die weibliche Anziehung mehrheitlich immer noch nach binären, evolutionär geprägten Mustern. Die überwältigende Mehrheit der Frauen fühlt sich zu Männern hingezogen, die maskuline Eigenschaften verkörpern. Das können Sie bedauern, Sie können es als soziales Konstrukt analysieren – es ändert nichts an der Tatsache.
/same/ Die Trans-Debatte ist für meine Arbeit nur in einem Punkt interessant: Sie ist das extremste Symptom für die kulturelle Verwirrung, die herrscht. Und diese Verwirrung, diese Instabilität, verunsichert Frauen. Sie sehnen sich instinktiv nach einem Mann, der ein Fels in der Brandung ist. Ein Mann, der weiß, wer er ist. Ein Mann, der eine klare, stabile, maskuline Polarität bietet. In einer Welt, in der alles fluid und verhandelbar wird, wird ein Mann, der unerschütterlich in seiner Männlichkeit ruht, zum wertvollsten Gut auf dem Markt.
/same/ Ihre „Befreiung“ schafft also in Wahrheit nur eine neue Marktchance für die Männer, die sich diesem Trend verweigern. Indem Sie Männlichkeit dekonstruieren, machen Sie traditionelle Maskulinität seltener und damit wertvoller. Aus einer rein strategischen Perspektive ist die gesamte Gender-Ideologie also das Beste, was den Männern, die meinen Lehren folgen, passieren kann. Sie schafft weniger Konkurrenz. Also, in diesem Sinne: Bitte machen Sie weiter so.
Dr. Eva Neumann (Moderatorin): Wir haben nun eine tiefe Kluft zwischen den psychologischen Deutungen und den gelebten Erfahrungen und Weltanschauungen gehört. Ich möchte die Diskussion an dieser Stelle erweitern und den Blick nach vorne richten. Wir haben viel über Probleme, Krisen und Pathologien gesprochen. Lassen Sie uns über Lösungen, über Visionen sprechen. Wenn wir die destruktiven und polarisierenden Aspekte hinter uns lassen wollen – was wäre aus Ihrer Sicht ein gangbarer Weg zu einer gesünderen, reiferen und zukunftsfähigen Männlichkeit? Professor Wagner, vielleicht beginnen Sie aus der soziologischen Perspektive?
Prof. Dr. Ben Wagner (Soziologe): Sehr gerne. Ein Weg in die Zukunft kann aus meiner Sicht nicht in einer Rückkehr zu einer idealisierten Vergangenheit liegen, wie es Herr Kaiser vorschlägt, und auch nicht in einer zynischen Anpassung an ein als ewig postuliertes System, wie Herr Duke es vertritt. Eine zukunftsfähige Männlichkeit kann nur in einer Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse entstehen. Das ist kein esoterisches Konzept, das sind ganz konkrete strukturelle Veränderungen.
/same/ Erstens bedeutet das eine radikale Neubewertung von Arbeit. Solange wir in einer Gesellschaft leben, in der bezahlte Erwerbsarbeit, Konkurrenz und Statusakkumulation als primäre männliche Domänen gelten und unbezahlte oder schlecht bezahlte Sorgearbeit – Kindererziehung, Pflege, Haushaltsführung – als weiblich abgewertet wird, werden wir die psychischen Deformationen, die Frau Dr. Roth und Herr Dr. Steiner beschrieben haben, immer wieder reproduzieren. Wir brauchen also eine massive Aufwertung von Care-Arbeit, ökonomisch und ideologisch. Konkret heißt das: großzügige und verpflichtende Vätermonate, eine bessere Bezahlung in Pflege- und Erziehungsberufen und die aktive Förderung von Männern in diesen Sektoren. Ein Mann, der die Erfahrung gemacht hat, für ein hilfloses Wesen verantwortlich zu sein, entwickelt eine andere Form von Stärke als ein Mann, der nur gelernt hat, im Markt zu konkurrieren.
/same/ Zweitens brauchen wir eine Revolution in der Bildung von Jungen. Unser Bildungssystem ist immer noch zu oft darauf ausgerichtet, Jungen auf Leistung und Konkurrenz zu trimmen, während emotionale und soziale Kompetenzen vernachlässigt werden. Wir müssen Jungen von klein auf beibringen, über ihre Gefühle zu sprechen, Empathie zu entwickeln, Konflikte gewaltfrei zu lösen und Beziehungen als kooperative Projekte zu verstehen, nicht als Machtkämpfe. Das erfordert eine geschlechtersensible Pädagogik, die Jungen nicht in die Falle der traditionellen Männlichkeitsnormen tappen lässt, sondern ihnen vielfältige Identifikationsangebote macht.
/same/ Drittens, und das ist vielleicht das Schwierigste, braucht es einen kulturellen Wandel der Leitbilder. Wir brauchen mehr öffentliche Vorbilder von Männern, die Stärke nicht durch Dominanz, sondern durch Integrität, durch Fürsorglichkeit und durch die Fähigkeit zur Selbstreflexion definieren. Männer, die offen über ihre Zweifel, ihre Ängste und ihre Misserfolge sprechen, ohne ihre Würde zu verlieren. Männer, die in gleichberechtigten Partnerschaften leben und dies als Gewinn und nicht als Verlust an Männlichkeit betrachten. Solange die Popkultur und die Medien primär den einsamen Wolf, den stoischen Actionhelden oder den rücksichtslosen Unternehmer glorifizieren, wird es für Jungen schwer sein, alternative Wege zu gehen.
/same/ Eine reife Männlichkeit entsteht also nicht im luftleeren Raum der individuellen Psyche. Sie braucht gesellschaftliche Strukturen, die sie ermöglichen, fördern und wertschätzen. Es geht darum, die materiellen und kulturellen Bedingungen zu schaffen, unter denen Männer es sich leisten können, Menschen zu sein – und nicht permanent eine Rüstung tragen zu müssen.

Dr. Clara Roth (Intersubjektive/Relationale Psychoanalytikerin): Professor Wagner hat die absolut notwendigen strukturellen Rahmenbedingungen skizziert. Ich möchte hinzufügen, dass diese äußeren Veränderungen ein inneres, psychisches Korrelat brauchen, um wirklich wirksam zu werden. Eine zukunftsfähige Männlichkeit ist aus meiner Sicht eine integrative und relationale Männlichkeit.
/same/ „Integrativ“ bedeutet, wie es die Arbeit von Michael Diamond nahelegt, die Überwindung der fatalen inneren Spaltung. Es ist die Fähigkeit eines Mannes, die als „weiblich“ abgewehrten Anteile – seine Verletzlichkeit, seine Bedürftigkeit, seine Sehnsucht nach Hingabe, seine Fürsorglichkeit – nicht länger als Bedrohung, sondern als integralen Teil seines Selbst zu akzeptieren und wertzuschätzen. Es geht darum, die „Achillesferse“ nicht mehr zu panzern, sondern sie als Ort der eigenen Menschlichkeit anzuerkennen. Ein Mann, der in Kontakt mit seiner eigenen Verletzlichkeit ist, muss andere nicht mehr abwerten, um sich stark zu fühlen. Ein Mann, der seine eigene Bedürftigkeit anerkennen kann, muss nicht mehr panisch nach absoluter Autonomie streben. Die Integration dieser Anteile führt zu einer tieferen, authentischeren und flexibleren Stärke, die nicht mehr auf Kosten anderer geht.
/same/ „Relational“ bedeutet, dass diese integrierte Männlichkeit ihre Erfüllung nicht in der Isolation, sondern in der Beziehung findet. Es ist die Abkehr von dem Ideal des autarken Helden und die Hinwendung zu einem Verständnis von Stärke, das sich in der Fähigkeit zu echter, wechselseitiger Anerkennung zeigt. Ein reifer Mann, in diesem Sinne, definiert seinen Wert nicht durch die Anzahl seiner Eroberungen oder den Grad seiner Unabhängigkeit, sondern durch die Qualität seiner Beziehungen – zu seiner Partnerin, zu seinen Kindern, zu seinen Freunden, zu seiner Gemeinschaft. Er versteht, dass wahre Autonomie nicht in der Abwesenheit von Bindung besteht, sondern in der Fähigkeit, innerhalb einer sicheren Bindung man selbst zu sein und dem Anderen zu erlauben, ebenfalls ganz er oder sie selbst zu sein.
/same/ Der Weg dorthin ist zweifellos schwierig. Er erfordert Mut zur Selbstreflexion, die Bereitschaft, schmerzhafte Gefühle zu konfrontieren, und die Unterstützung durch andere – seien es gute Freunde, Partner, Mentoren oder Therapeuten. Es geht darum, neue innere Landkarten zu entwickeln, die über die alten, ausgedienten Pfade von Dominanz und Kontrolle hinausweisen. Eine zukunftsfähige Männlichkeit ist letztlich eine Männlichkeit, die es Männern erlaubt, ganze Menschen zu sein, mit dem gesamten Spektrum menschlicher Gefühle und Erfahrungen. Das ist kein Verlust, sondern die größte Befreiung, die man sich vorstellen kann.
Alex Duke („Red Pill“-Stratege): Ich höre Ihre Visionen, Professor Wagner, Frau Dr. Roth. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: In einer perfekten Welt, in einer Utopie, klingt das wunderbar. Wer würde sich keine Welt wünschen, in der alle fürsorglich sind und sich gegenseitig anerkennen? Aber wir leben nicht in dieser Welt. Wir leben in der Welt, wie sie ist. Und in dieser Welt sind Ihre Visionen nicht nur unrealistisch, sie sind für den einzelnen Mann, der heute überleben und erfolgreich sein will, gefährlich.
/same/ Eine zukunftsfähige Männlichkeit muss auf den Realitäten der menschlichen Natur und des sexuellen Marktplatzes aufbauen, nicht auf Wunschdenken. Und die Realität ist, dass wir kompetitive Wesen sind und dass Anziehung nicht durch moralische Appelle, sondern durch den demonstrierten Wert eines Individuums entsteht.
/same/ Meine Vision einer zukunftsfähigen Männlichkeit ist daher eine des aufgeklärten Pragmatismus. Es ist ein Mann, der die „Red Pill“ geschluckt hat – das heißt, er hat die Illusionen der romantischen Komödie und der gesellschaftlichen Programmierung durchschaut. Er versteht die ungeschriebenen Gesetze der Hypergamie und der weiblichen Anziehungspsychologie. Aber anstatt, wie User404, daran zu zerbrechen oder, wie der alte Macho, Frauen dafür zu hassen, nutzt er dieses Wissen konstruktiv.
/same/ Erstens: Er übernimmt radikale Eigenverantwortung für seinen eigenen Wert. Er jammert nicht über das System oder die Frauen, sondern er fragt sich: „Wie kann ich der Mann werden, den Frauen von Natur aus begehren und den andere Männer respektieren?“ Das bedeutet, er arbeitet an seiner körperlichen Fitness, an seiner finanziellen Unabhängigkeit, an seinen sozialen Fähigkeiten und an seiner Mission im Leben. Sein Selbstwert kommt nicht von externer Bestätigung, sondern von seiner eigenen, messbaren Kompetenz.
/same/ Zweitens: Er entwickelt eine strategische Souveränität in sozialen Interaktionen. Er versteht es, Grenzen zu setzen. Er ist nicht übermäßig gefällig („needy“), sondern führt Interaktionen aus einer Position der inneren Fülle. Er kann spielerisch, humorvoll und dominant sein, ohne aggressiv oder verächtlich zu werden. Er hat die Wahl, weil er Optionen hat. Und er hat Optionen, weil er an seinem Wert gearbeitet hat.
/same/ Drittens: Auf dieser Grundlage kann er ein ehrenhafter, aber realistischer Partner sein. Weil er nicht aus Bedürftigkeit handelt, kann er einer Frau gegenüber tatsächlich großzügig sein. Weil er die weibliche Natur versteht, kann er ihre emotionalen Schwankungen und ihre unbewussten Tests gelassener nehmen, ohne es persönlich zu nehmen. Er kann ein Fels in der Brandung sein, weil seine Identität nicht von der Beziehung abhängt. Er bietet Stärke und Stabilität, nicht weil eine Ideologie es von ihm verlangt, sondern weil es die logische Konsequenz seiner Selbstentwicklung ist.
/same/ Die zukunftsfähige Männlichkeit, wie ich sie sehe, ist also kein weicher, androgyner Pfleger, wie es Professor Wagners Vision nahezulegen scheint. Es ist ein moderner Gentleman-Krieger. Ein Mann, der die brutalen Realitäten der Welt versteht, sie aber mit Intelligenz, Disziplin und einem ehrenhaften Kodex meistert. Er ist kein Opfer und kein Täter. Er ist ein Spieler, der das Spiel so gut spielt, dass er es sich leisten kann, fair zu sein.
/note/ Leo Kaiser ergreift das Wort. Er gestikuliert energisch, seine Stimme hat die charismatische Intensität eines Predigers.
Leo Kaiser („Alpha-Male“-Coach): Herr Duke hat von einem Gentleman-Krieger gesprochen. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Die zukunftsfähige Männlichkeit ist nicht die des Spielers, sondern die des Königs. Es ist die Rückkehr zu einem archetypischen Verständnis von Männlichkeit, das unsere westliche Zivilisation über Jahrhunderte groß gemacht hat und das wir in den letzten Jahrzehnten leichtfertig über Bord geworfen haben.
/same/ Ihre Visionen, Herr Wagner und Frau Dr. Roth, kranken an einem fundamentalen Missverständnis: Sie sehen Hierarchie als das Problem. Ich sehe sie als die Lösung. Jede funktionierende, prosperierende und sichere menschliche Gemeinschaft – von der Familie über das Unternehmen bis hin zur Nation – ist hierarchisch strukturiert. An der Spitze steht eine Instanz, die führt, die Verantwortung übernimmt und die Ordnung garantiert. Diese Rolle, ob es Ihnen gefällt oder nicht, ist archetypisch männlich. Die zukunftsfähige Männlichkeit ist eine Männlichkeit, die diesen Führungsanspruch wieder annimmt, aber auf eine aufgeklärte und verantwortungsvolle Weise.
/same/ Der König, wie ich ihn verstehe, ist kein Tyrann. Der Tyrann herrscht durch Angst und Unterdrückung, um seine eigene Unsicherheit zu kompensieren. Der König herrscht durch Stärke, Kompetenz und Integrität. Er baut sein eigenes Königreich – sei es sein Unternehmen, seine Familie oder sein persönliches Leben – auf einem Fundament aus Disziplin, Leistung und einem unerschütterlichen Wertekodex. Er ist der absolute Souverän seines eigenen Lebens. Er jammert nicht, er klagt nicht an, er erschafft.
/same/ In Bezug auf Frauen bedeutet das: Der König stellt die Frau nicht auf ein Podest, und er tritt sie auch nicht in den Schmutz. Er erkennt ihren Wert an, aber er definiert sich nicht über sie. Seine Mission, sein Lebenszweck, steht immer an erster Stelle. Eine Frau ist die Königin, die er einlädt, an seiner Seite in dem von ihm geschaffenen Königreich zu leben. Sie ist keine gleichberechtigte Geschäftsführerin, die über die Ausrichtung des Reiches mitverhandelt. Sie ist diejenige, die die emotionale und familiäre Harmonie innerhalb des sicheren Rahmens schafft, den der König durch seine Stärke und seinen Schutz garantiert. Das ist keine Unterdrückung, das ist die Anerkennung komplementärer Stärken. Es ist die Wiederherstellung einer natürlichen, harmonischen Polarität, die Sie als „patriarchal“ verleumden, die aber in Wahrheit die Grundlage für tiefe Anziehung und funktionierende Familien ist.
/same/ Die Zukunft der Männlichkeit liegt also nicht in der Anpassung an eine chaotische, gleichmacherische und orientierungslose Welt. Sie liegt in der Erschaffung von Inseln der Ordnung, des Wohlstands und der Stabilität durch starke, integre, verantwortungsbewusste Männer. Der Weg dorthin ist der, den ich lehre: radikale Selbstverbesserung auf allen Ebenen – körperlich, geistig, finanziell. Ein Mann muss zuerst sich selbst beherrschen lernen, bevor er irgendetwas anderes führen kann. Er muss seine inneren Dämonen – die Faulheit, die Angst, die Bedürftigkeit – besiegen. Wenn er das geschafft hat, wird er zu einem Leuchtturm der Stärke. Und die Menschen, Männer wie Frauen, werden sich von Natur aus zu diesem Licht hingezogen fühlen. Das ist keine Theorie. Das ist ein Naturgesetz. Die Zukunft gehört nicht den Dekonstruktivisten und nicht den Zynikern. Sie gehört den Königen.
Prof. Dr. Richard Steiner (Klassischer Psychoanalytiker): Herr Kaiser, Ihre Rede vom König und vom Reich ist ein perfektes Beispiel für das, was die Psychoanalyse als Größen-Selbst-Phantasie bezeichnet. Es ist der archaische Wunsch des Kindes nach Omnipotenz, der in die Sprache eines Erwachsenen übersetzt wird. Es ist die Phantasie, eine Welt ohne Ambivalenz, ohne Mangel und ohne die Notwendigkeit, sich mit dem widerständigen Willen eines anderen, gleichberechtigten Subjekts auseinandersetzen zu müssen, erschaffen zu können. Ihre „Königin“ ist keine Partnerin, sie ist ein idealisiertes Objekt, das die innere Ordnung des Königs widerspiegeln und bestätigen soll. Jede Abweichung, jede Kritik, jede Eigenständigkeit würde das gesamte Reich ins Wanken bringen und wäre daher Verrat.
/same/ Eine wirklich reife und zukunftsfähige Männlichkeit kann aus meiner Sicht nicht auf der Restauration solcher archaischer Allmachtsfantasien beruhen. Sie muss im Gegenteil auf der Fähigkeit gründen, die eigenen inneren Konflikte anzuerkennen und zu bearbeiten. Sie muss auf der schmerzhaften, aber befreienden Akzeptanz der symbolischen Kastration beruhen – das heißt, der Anerkennung des fundamentalen Mangels, der das menschliche Subjekt ausmacht. Der Anerkennung, dass wir nicht allmächtig sind, dass wir den Anderen brauchen, dass wir dem Gesetz und der Endlichkeit unterworfen sind.
/same/ Der Weg dorthin ist der klassische Weg der Psychoanalyse: die Auseinandersetzung mit dem eigenen Unbewussten. Ein zukunftsfähiger Mann wäre ein Mann, der sich seinen ödipalen Konflikten gestellt hat. Das bedeutet, er hat gelernt, die Rivalität mit dem Vater (und anderen Männern) zu sublimieren und in produktive Bahnen zu lenken, anstatt sie in endlosem Konkurrenzkampf auszuleben. Er hat gelernt, seine libidinösen Wünsche auf ein erreichbares, reales Objekt zu richten und eine reife Objektliebe zu entwickeln, die den Anderen als ganzes Subjekt mit guten und schlechten Seiten sehen kann, anstatt ihn zu spalten oder zu idealisieren. Er hat seine Angst vor dem Weiblichen, die aus der frühen Verstrickung mit der Mutter und der Kastrationsdrohung resultiert, so weit bearbeitet, dass er Frauen als gleichwertige Partnerinnen begegnen kann, ohne sie entweder zu fürchten und abzuwerten oder sie zu idealisieren und auf ein Podest zu stellen.
/same/ Es geht also weniger um äußere Strukturen oder neue Techniken, sondern um die innere Arbeit der Subjektwerdung. Ein reifer Mann ist ein Mann, der eine ausreichend stabile innere Welt aufgebaut hat, um die Ambiguitäten und Frustrationen des Lebens auszuhalten, ohne in regressive Abwehrmechanismen wie Projektion, Spaltung oder Verleugnung zu verfallen. Er hat gelernt, seine Aggressionen zu zivilisieren und seine libidinösen Energien in kreative und soziale Leistungen zu verwandeln.
/same/ Dieser Weg ist unendlich viel schwieriger und langwieriger als der Besuch eines Motivationsseminars oder das Auswendiglernen von Anmachsprüchen. Er erfordert den Mut, sich den eigenen Abgründen zu stellen. Aber er ist der einzige Weg, der zu wirklicher, dauerhafter innerer Stabilität und Freiheit führt. Eine zukunftsfähige Männlichkeit ist für mich eine post-ödipale Männlichkeit – eine Männlichkeit, die den kindlichen Traum von der Allmacht aufgegeben hat und stattdessen die Herausforderungen und Möglichkeiten des erwachsenen Lebens in einer komplexen, symbolischen Welt annimmt.
/note/ Ein Moment der Stille tritt ein, als die verschiedenen Visionen – der fürsorgliche Partner, der pragmatische Spieler, der archetypische König, der selbstanalysierte Mann – im Raum stehen. Die Moderatorin blickt in die Runde, ihr Gesichtsausdruck spiegelt die Komplexität und die Unvereinbarkeit der Positionen wider.
Dr. Eva Neumann (Moderatorin): Wir stehen am Ende unserer Diskussion, und es scheint, dass die Frage nach der Zukunft der Männlichkeit uns zu den grundlegendsten Fragen menschlicher Existenz geführt hat: Natur gegen Kultur, Individuum gegen Struktur, Autonomie gegen Beziehung, Allmachtsfantasie gegen die Akzeptanz von Grenzen.
/same/ Wir haben die Vision einer Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse von Professor Wagner gehört, die auf strukturellen Wandel setzt. Wir haben den Appell von Frau Dr. Roth für eine innere Transformation hin zu einer integrativen und relationalen Männlichkeit vernommen. Dem gegenüber stehen die Modelle von Herrn Duke, der für einen aufgeklärten Pragmatismus und strategische Kompetenz in einem kompetitiven Spiel plädiert, und von Herrn Kaiser, der eine Rückkehr zum archetypischen, führenden „König“ als einzige Lösung sieht. Und wir dürfen die schmerzhafte Stimme von User404 nicht vergessen, der all diese Visionen als Illusionen für eine Welt entlarvt, zu der er von vornherein keinen Zugang hat.
/same/ Es gibt keine einfache Synthese, keinen leichten Kompromiss. Vielleicht ist die wichtigste Erkenntnis dieses Abends, dass wir als Gesellschaft lernen müssen, diese tiefen ideologischen Gräben anzuerkennen und die dahinterliegenden Ängste, Wünsche und Kränkungen zu verstehen, ohne die destruktiven und menschenverachtenden Konsequenzen zu tolerieren, die aus einigen dieser Weltbilder erwachsen. Die Debatte ist nicht zu Ende, sie hat gerade erst begonnen.
/same/ Ich danke meinen Gästen – Dr. Lena Brandt, Professor Dr. Richard Steiner, Dr. Clara Roth, Professor Dr. Ben Wagner, Leo Kaiser, Alex Duke und User404 – für diese außergewöhnlich offene, kontroverse und tiefgehende Diskussion. Und ich danke Ihnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, für Ihr Interesse und Ihre Bereitschaft, sich auf diese komplexe Thematik einzulassen. Auf Wiedersehen.
/note/ Die Kamera zoomt langsam heraus, die Gesichter der Teilnehmer bleiben nachdenklich und ernst. Der Abspann beginnt.
/end/


Anhang: Zur Entstehung dieses Textes: Eine Reflexion im Lichte des Leitfadens zur KI-Ko-Produktion

/appendix#entstehung/ Zur Entstehung dieses Textes: Eine Reflexion im Lichte des Leitfadens zur KI-Ko-Produktion | Entstehungsprozess & KI-Transparenz

/lead/ Dieser Anhang dokumentiert den hybriden Entstehungsprozess des vorliegenden Werkes und analysiert ihn anhand der vier Phasen und neun Schritte des Leitfadens für eine kritisch-reflexive Ko-Produktion mit KI.

/section#phase-vorbereitung/ Phase I: Die Vorbereitung – Sicherung des subjektiven Raums | Schritte 1-3

Die Ko-Produktion begann nicht mit einer offenen Frage an die KI, sondern mit einem vom menschlichen Autor geschaffenen, detaillierten intellektuellen und affektiven Raum der Lektüre, der die Basis für die gesamte Arbeit legte.

Intention formulieren

Die Zusammenarbeit entsprang einem detaillierten und affektiv aufgeladenen Ausgangsmaterial aus kuratierten PDFs und Notizen zum Thema, das der menschliche Autor bereits vor der Interaktion verfasst hatte. Es manifestierte ein klares intellektuelles und ethisches Programm: die psychischen Wurzeln der im digitalen Raum beobachteten Misogynie aufzudecken. Die thetische Stoßrichtung, der Titel und die Gliederung waren bereits definiert, wodurch der Autor nicht als Bittsteller an die KI, sondern als Architekt mit einem Bauplan auftrat.

Materialsammlung

Der initiale Prompt bestand aus einem umfangreichen, kuratierten Korpus von theoretischen Fragmenten von Artikeln und DeepResearch Ergebnissen. Die KI wurde dadurch nicht als primäre Wissensquelle, sondern als sekundäres Werkzeug zur Synthese, Strukturierung und Formulierung dieses bereits vorhandenen menschlichen Wissens eingesetzt. Die Qualität der maschinellen Arbeit war direkt von der Tiefe dieser Vorarbeit abhängig.

Rollendefinition

Die Rolle der KI wurde strategisch als die eines „rhetorischen Schleifers, einer Strukturierungs-Engine und eines unermüdlichen Stilisten“ definiert. Diese bewusste Zuweisung einer untergeordneten, instrumentellen Rolle war entscheidend, um die Kontrolle über den intellektuellen und ethischen Gehalt des Werkes zu behalten und die Interaktion von Anfang an klar zu rahmen.

/section#phase-interaktion/ Phase II: Die Interaktion – Dialektik statt Delegation | Schritte 4-5

Die Interaktionsphase war geprägt von einem intensiven, iterativen Dialog, in dem die KI durch gezielte Interventionen gezwungen wurde, ihre auf Konsens optimierten Algorithmen zu verlassen und Komplexität zu erzeugen.

Dialektisches Prompten

Der Prozess war kein linearer Ablauf, sondern wurde durch strategische Provokationen vorangetrieben. Der entscheidende Prompt, nach dem Vorbild von Wolfgang Mertens ein Gespräch verschiedener Rollen zu simulieren, erzwang eine radikale Umstrukturierung des Genres. Darauf folgte die antithetische Anweisung, die stärkste Selbstverteidigung der kritisierten Positionen zu formulieren, anstatt sie nur zu beschreiben. Die Maschine wurde so zum dialektischen Werkzeug.

Montage

Der finale Text entstand durch einen bewussten, dramaturgischen Akt der Montage. Der menschliche Autor agierte als Regisseur, der die von der KI generierten langen Monologe der einzelnen Rollen nicht einfach übernahm. Stattdessen wurden diese Fragmente dekonstruiert, durch präzise formulierte Moderationsfragen konfrontiert und in eine neue, spannungsgeladene narrative Struktur montiert, die eine rein menschliche, nicht-delegierbare Leistung darstellt.

/section#phase-autorisierung/ Phase III: Die Autorisierung – Rückeroberung der Subjektivität | Schritte 6-7

Diese Phase fand größtenteils außerhalb der direkten KI-Interaktion statt und umfasste die kritische Distanzierung vom maschinell unterstützten Output sowie die finale, subjektive Aneignung des gesamten Textes.

Inkubationsphase

Bewusste, KI-freie Reflexionsphasen waren entscheidend, um eine kritische Distanz zum gemeinsam erstellten Produkt zu gewinnen. In diesen Pausen konnten fundamentale Schwächen erkannt und radikale, kreative Neuausrichtungen für den weiteren Prozess vorgenommen werden, die in der Hektik des direkten Dialogs nicht möglich gewesen wären.

Menschlichung

Die Menschlichung vollzog sich auf mehreren Ebenen. Nicht nur, aber insbesondere die Moderationsstimme von Dr. Eva Neumann wurde vom menschlichen Autor formuliert und als Ort seiner eigenen Subjektivität und ethischen Haltung im Text verankert. Er injizierte durch seine Prompts permanent eigenen Affekt und intellektuelle Neugier in den Text und übernahm durch die finale Zusammenstellung die volle Verantwortung für das Werk.

/section#phase-publikation/ Phase IV: Die Publikation – Ethik der Sichtbarkeit | Schritte 8-9

Die Publikationsphase realisiert sich durch die Erstellung dieses Anhangs selbst und macht den Entstehungsprozess zu einem integralen, reflektierten Bestandteil des Werkes.

Radikale Transparenz

Dieser Anhang ist die direkte Umsetzung des Prinzips der radikalen Transparenz. Anstatt die Spuren der KI-Zusammenarbeit zu verwischen, wird der Prozess offengelegt, de-mystifiziert und die KI als Werkzeug in einem menschlich gesteuerten Prozess sichtbar gemacht. Dies stellt eine diskursethische Geste gegenüber der Leserschaft dar, die nun die Bedingungen der Textproduktion kennt.

Zweckbestimmung

Die durch die KI gewonnene Effizienz wurde bewusst zweckentfremdet. Die frei werdenden Ressourcen flossen nicht in bloße Beschleunigung, sondern wurden als „Autonomiefonds“ in die Verlangsamung, die kritische Reflexion und die Vertiefung des methodischen Verständnisses investiert, was die Erstellung dieses Anhangs erst ermöglichte.
/end/

Hausordnung (bitte kurz lesen)

Worum es geht: Couch & Agora ist ein professionell gerahmter Diskursraum zu Gegenwartsthemen aus psychoanalytischer Perspektive. Neben inhaltlichen Argumenten haben hier affektive Resonanzen Platz – einschließlich Eindrücken von Übertragung und Gegenübertragung.

  • Haltung: respektvoll, neugierig. Resonanz & Widerspruch willkommen; Beschämung nicht.
  • Spontanität: kurze, rohe Gegenübertragungs‑Eindrücke (Gefühle, Bilder, Körper‑Notizen) sind erlaubt – im öffentlichen Rahmen bitte bewusst formulieren.
  • Keine Diagnosen über Dritte, keine identifizierbaren Fallbezüge. Eigene Erfahrungen anonymisieren.
  • Kein Hass, keine Abwertung von Personen oder Gruppen; keine diskriminierenden Inhalte.
  • Pseudonym möglich. Wir speichern so wenig personenbezogene Daten wie nötig (siehe Datenschutz).
  • Moderation: Beiträge können verschoben, gekürzt oder entfernt werden (sichtbar begründet). Das Kommentarfeld ist i. d. R. 14 Tage geöffnet.
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Resonanz & Reflexion

Pseudonym möglich. Die Hausordnung gilt.